Deutscher Topmanager: Sorge um die repräsentative Demokratie
Plädoyer für Volksentscheide auf Bundesebene - Peter Grassmanns Appell für CDU-Grundsatzprogramm
Peter Grassmann: Mehr Mut zu Volksentscheiden! (Foto: privat) |
Berlin/München (pts019/03.08.2023/13:00)
Ein Topmanager schlägt Alarm. Dr. Peter Grassmann, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Carl Zeiss, Autor mehrerer Bücher über den Zustand der Demokratie und über Auswüchse der Wirtschaft, appelliert an den neuen CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, ins Grundsatzprogramm der CDU die Möglichkeit von Volksentscheiden einzubauen.
"Ich gehöre zu den vielen, die kritisch sind zur aktuellen repräsentativen Demokratie. Ich halte sie für ausgelaugt", findet Grassmann und wundert sich nicht, dass enttäuschte Wähler zur AfD getrieben werden. In einem Appell an CDU-Generalsekretär Linnemann regt er an, künftig Wahlen auch auf Bundesebene für Volksentscheide zu nutzen. Die Partei solle daher ihren bisherigen Widerstand gegen Volksbegehren aufgeben. Als weiteres Novum schlägt Grassmann vor, die Wahlen mit Meinungsumfragen zu strittigen Themen zu kombinieren.
Diese beiden Ergänzungen zu den Wahlgängen würden zu mehr Debatten führen, die politische Kultur heben und "den Wahlvorgang zu einem neuen Erlebnis" machen, findet Grassmann.
"Atom- und Kohleausstieg sowie die Energiewende generell wären so von interessierten Gruppen schon viel früher als Volksbegehren initiiert und zu ersten Entscheidungen gebracht worden – vermutlich abbremsend, aber eben frühzeitig. Es wäre die Gegenkraft zur enormen Lobbyarbeit der Erdölindustrie gegen Maßnahmen zur CO2-Minderung gewesen." In seinen Büchern befasste sich Peter Grassmann mit Initiativen und Modellen zur Belebung der Demokratie sowie mit einer zügellosen Marktwirtschaft. Die aktuellen Umfragewerte der AfD sind dem in zahlreichen Gremien engagierten Manager ein besonderer Anlass zur Sorge. "Die heutige repräsentative Demokratie ist zu schwach, um die Gefahren, die unserer Gesellschaft drohen, zu besiegen", warnt Grassmann.
Er plädiert für eine Beteiligungsdemokratie und mehr Mitsprache. Vielen Bürgern reiche es nicht mehr, nur Kandidatenlisten anzukreuzen. "Sie wollen sich auch zu Sachfragen äußern, wie sie das aus ihren Landesverfassungen kennen." Grassmann verweist auf das Beispiel Schweiz. Das zeige nicht nur, dass es funktioniere, sondern schaffe auch mehr Verständnis für politische Entscheidungen und eine bessere politische Kultur.
Der Wortlaut des Grundgesetzes sei doch eindeutig: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus und wird von ihm in Wahlen und Abstimmungen...ausgeübt. "Haben wir da ein Missverständnis?", fragt Grassmann. Man wählt also Repräsentanten, und in besonders strittigen oder sehr grundsätzlichen Fragen wird abgestimmt. Das schaffe Klarheit und stärke den Konsens. "So ist der Grundgedanke des Volksentscheids als Teil einer Verfassung." Die Verfassungsrichter jedoch haben bisher gebremst. Verfassungsrechtler mahnen deshalb, die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene durch eine Zweidrittelmehrheit verfassungsrechtlich abzusichern, also auch andere Parteien einzubinden in eine Initiative.
"Mit Negativwerten der Ampel, Spitzenwerten der AfD und einer nach ihrer Position suchenden CDU scheint die Rückbesinnung auf den Wunsch der Bevölkerung, auch in Sachfragen verbindlich mitsprechen zu können, für alle Parteien zwingend. Niemand wird die repräsentative Demokratie ganz ablösen wollen, aber ihre Ergänzung mit den Instrumenten der sogenannten direkten Demokratie, also mitentscheidenden Meinungsäußerungen der Wähler, ist überfällig", betont Grassmann.
Aber nicht jeder Volksentscheid sei sinnvoll. "Uns allen ist der Brexit als schockierende Mehrheitsentscheidung eines Referendums in Erinnerung. Von oben vorgegeben, ohne neutral begleitende Information, ohne Aufklärung gegen Fake News, geringe Wahlbeteiligung, kaum Interesse bei der Jugend – alles Fehler, die nicht vorkommen dürfen", so Grassmann. "Meine Priorität sind Volksbegehren, die von unten kommen, die aus brodelnder Unzufriedenheit der Bevölkerung entstehen und von den Gruppen der Zivilgesellschaft in die Öffentlichkeit getragen werden."
"Ein gutes Volksbegehren braucht Zeit. Zeit für die Gruppenbildung, die Anlaufphase und die Diskussion, die nach und nach die Öffentlichkeit erfasst und damit erst die Voraussetzung schafft, dass die Bevölkerung auf Basis guter Information entscheidet. So könnte ein Volksbegehren auch auf Bundesebene ablaufen. Die Kombination mit einer Wahl ist übrigens naheliegend. Es spart Kosten und erhöht die Wahlbeteiligung." An Carsten Linnemann appelliert Grassmann: "Es ist nun an der Zeit, dass auch die CDU sich mit diesem Instrument befasst und damit den Anstoß auch bei den anderen Parteien gibt."
Hintergrund
Der promovierter Physiker Peter Grassmann war Mitglied des Vorstands des Bereichs Medizintechnik von Siemens (heute Siemens Healthineers AG), sanierte dann als Vorsitzender des Vorstands das Stiftungsunternehmen Carl Zeiss in Oberkochen und integrierte die Traditionsbetriebe in Jena in Zusammenarbeit mit Lothar Späth.
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