pts20210303059 Politik/Recht, Medien/Kommunikation

Deutschland verspielte ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat

Bundeskanzler Helmut Kohl wollte sich "nicht in alle Händel der Welt einmischen müssen"


Berlin (pts059/03.03.2021/17:25) Deutschland hatte nach der Wiedervereinigung die realistische Chance auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, doch Bundeskanzler Helmut Kohl ließ das Ergebnis von sechsjährigen Verhandlungen platzen. Dieses weitgehend unbekannte Faktum berichtet das "Diplomatische Magazin" in seiner jüngsten Ausgabe unter Berufung auf den früheren Staatsminister Gunter Pleuger.

Wie der Journalist Ewald König nach einem Gespräch mit Gunter Pleuger in der Monatszeitschrift "Diplomatisches Magazin" schrieb, habe der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl für die Vereinten Nationen und den Weltsicherheitsrat wenig Interesse gehabt und einen ständigen Sitz der Bundesrepublik Deutschland in diesem Gremium verhindert. Den Grund dafür laut Pleuger: "Kohl wollte sich nicht in alle Händel der Welt einmischen müssen."

1991 hatte US-Außenminister James Baker den Deutschen vorgeschlagen, über einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat zu verhandeln. Die Deutschen, Amerikaner, Franzosen und Japaner begannen mit Überlegungen; die anfangs reservierten Briten stießen erst später unter Tony Blair dazu. Schon damals war der Sicherheitsrat längst nicht mehr repräsentativ besetzt und spiegelte die geopolitischen Realitäten nicht wider.

1997 fand nach sechsjährigen Verhandlungen die letzte Sitzung statt. Der Text für die Reform war fertig. Die Protagonisten lobbyierten weltweit für die Umsetzung. Auch mit Russland und China war alles abgesprochen. Beide Mächte hätten sich nicht widersetzt, bestenfalls der Stimme enthalten. Der finale Beschluss erfolgte auf dem Gendarmenmarkt in Berlin, wo der Erfolg entsprechend gefeiert wurde.

Doch am Morgen nach der Feier, erinnert sich Pleuger, habe sich der amerikanische Verhandlungsführer gemeldet und seine sofortige Abreise angekündigt. Pleuger habe ihn gefragt: "Wieso? Was ist los?" - "Das müsstest Du selbst am besten wissen", habe ihm der US-Diplomat entgegnet. Pleuger wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass kurz zuvor Helmut Kohl persönlich die Sache abgeblasen hatte, um sich nicht überall einmischen zu müssen. Die schwer enttäuschten USA hätten Deutschland unmissverständlich mitgeteilt, dass es nie wieder mit amerikanischer Unterstützung in dieser Frage rechnen dürfe.

Von dieser Episode wissen nur wenige Eingeweihte. Es gab keine Medienberichte darüber. Auch dass der Widerstand von Bundeskanzler Helmut Kohl höchstpersönlich kam, war bis jetzt nur involvierten Zeitzeugen bekannt.

Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte vor Kurzem: "Dass wir einen Sitz im Sicherheitsrat auch auf Dauer auszufüllen wissen, das haben wir in den letzten beiden Jahren bewiesen. Deshalb wollen wir nicht nur in acht Jahren erneut für einen nichtständigen Sitz kandidieren, sondern wir wollen bis dahin ein ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen werden." Deutschland wolle auch in Zukunft seinen Beitrag zur Wahrung des Weltfriedens leisten - und zwar als ständiges Mitglied, so Maas. Doch der Autor Ewald König schließt aus, dass Deutschland jemals wieder die Chance auf einen ständigen Sitz erhält, und sieht die Chancen dafür gleich null. "In dieser Angelegenheit sollte man weder sich noch anderen Hoffnungen machen."

(Ende)
Aussender: Diplomatisches Magazin
Ansprechpartner: Heiko Schulze
Tel.: +49 30 726262700
E-Mail: heiko.schulze.bpk@gmail.com
Website: www.diplomatisches-magazin.de
|