pte20250212029 in Forschung

Europa tappt in die Twilight-Zone

ECFR-Umfrage: Neue US-Politik verursacht tiefe Verunsicherung und Spaltung


EU versus USA: Verhältnis hat sich zunehmend verschlechtert (Bild: ChatGPT/Dall-E)
EU versus USA: Verhältnis hat sich zunehmend verschlechtert (Bild: ChatGPT/Dall-E)

London (pte029/12.02.2025/13:30)

Nach dem Brexit, dem Ukraine-Krieg und dem neuerlichen Amtsantritt von Donald Trump in den USA haben sich die Aussichten eines geeinten Europas weiter verschlechtert. Bei allem Pragmatismus und nüchternem Abwägen scheint eines klar: Der europäische Kontinent muss sich wirtschafts- und sicherheitspolitisch neu aufstellen - auch wenn das "Wie" völlig unklar bleibt. Das geht aus einer Studie des Londoner European Council on Foreign Relations (ECFR) hervor, das Umfragedaten aus 14 europäischen Ländern inklusive der Schweiz und Ukraine ausgewertet hat.

Transatlantik-Partnerschaft "schwer gestört"

Ziemliche Unsicherheit, wenn nicht gar ausgesprochener Pessimismus herrscht der Studie zufolge hinsichtlich der künftigen Beziehungen zum Aggressor Russland, selbst dann, wenn es zu einem Waffenstillstand oder gar Friedensschluss kommt. Die transatlantische Partnerschaft wird als "schwer gestört" beurteilt, eher positiv hingegen wird der dritte globale Player China eingeschätzt, von dem man sich weiterhin stabile und konstruktive Wirtschaftsbeziehungen erwartet. Hier ist die Skepsis in Westeuropa allerdings größer ist als in Ost- und Südosteuropa, wo die Volksrepublik stark investiert ist.

Die Ergebnisse legen nahe, dass die neue Trump-Regierung Möglichkeiten hat, die EU in wesentlichen Fragen auseinanderzudividieren. Darauf müsse sich die EU vorbereiten. Den unilateralen Ambitionen sollte die EU mit Pragmatismus begegnen, was immer das heißen mag, wenn die neue US-Administration mit Druck und Drohungen operiert und Europa zum Handlanger von US-Interessen herunterstuft. Die Sichtweise der Europäer auf das transatlantische Bündnis hat sich unter dem "langen Schatten Trumps" jedenfalls binnen kurzer Zeit dramatisch und nachhaltig verschlechtert.

USA "notwendiger Partner", China "Rivale"

Konkret zeigt die Umfrage, dass die meisten EU-Bürger die USA heute eher als "notwendigen Partner" (50 Prozent) denn als "Verbündeten" (21 Prozent) betrachten, bei China sind das 43 zu 35 Prozent. China wird in den west- und nordeuropäischen Ländern eher als Rivale und sogar Feind Europas gesehen, während die süd- und osteuropäischen Länder ein deutlich positiveres Bild vom asiatischen Riesen haben. Eine ähnliche Zweiteilung zeigt sich bei der Ukraine: Hier gehen die Ansichten darüber, was diese Verhandlungen beinhalten und wie sie abgeschlossen werden sollten, weit auseinander.

In ihrer Analyse weisen die Studienautoren darauf hin, dass es keinen Grund zur Annahme gibt, Trump könnte seine Meinung über die EU seit der ersten Amtszeit geändert haben. Green Deal und Wokeism sowie Regulierung der Tech-Konzerne seien ihm ein Dorn im Auge, amerikanische Interessen gingen jetzt in eine völlig andere Richtung. In dieser neuen Welt müsse sich Europa nun behaupten, der Vertrauenskrise in Bezug auf seinen globalen Einfluss entgegentreten und pragmatisch und kreativ mit seinen zahlreichen Bruchlinien umgehen.

Vier Gruppen unterschiedlicher Meinung

Interessant ist auch, dass der Bericht die Bevölkerung Europas in vier verschiedene Gruppen unterteilt, je nachdem, wie sie die EU und ihre Rolle in der Welt sehen. Die "Euro-Optimisten" stellen mit 30 Prozent der Befragten die größte Gruppe dar, sie sind der Auffassung, dass die EU eine Großmacht ist und dass ihr Zusammenbruch in den nächsten zwei Jahrzehnten unwahrscheinlich ist. Die "Euro-Pessimisten" (22 Prozent) hingegen glauben, dass die EU ihrem Untergang geweiht ist. Die "Euro-Realisten" (17 Prozent) sehen die EU stabil, aber nicht als Großmacht, die "Euro-Mortalisten" (elf Prozent) betrachten die EU als Großmacht, die vom Zusammenbruch bedroht ist.

Nicht alles sei düster, so der Bericht abschließend. Die kritische Betrachtung des EU-Potenzials zeige auch eine realistische Einschätzung der kommenden Herausforderungen. Auch wenn die transatlantischen Beziehungen im Zwielicht stehen, so hilft die realistische und differenzierte Betrachtung Europas dabei, neue Wege der Kooperation zu finden.

(Ende)
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