pte20250117004 Politik/Recht

Gerichtsreporter immer seltener vorzufinden

Forscher der University of Oxford sehen wichtige Funktion - Grauen in Prozessen schreckt ab


Gerichtshammer: Berichterstattung für Journalisten anspruchsvoll (Foto: Arek Socha, pixabay.com)
Gerichtshammer: Berichterstattung für Journalisten anspruchsvoll (Foto: Arek Socha, pixabay.com)

Oxford (pte004/17.01.2025/06:15)

Immer weniger Journalisten lassen sich zu Gerichtsreportern ausbilden, was ein Problem für die Justiz und die Öffentlichkeit darstellt. Denn laut Forschern der University of Oxford stärkt eine gute Berichterstattung das Vertrauen der Menschen in die Justiz, und übt Druck auf Zeugen aus, die Wahrheit zu sagen. Zudem helfe es, falsche Gerüchte über Fälle zu unterdrücken. Dies kann laut Expertin Sian Harrison dazu führen, dass sich andere Opfer melden oder neue Beweise aufgedeckt werden. Die ehemalige Gerichtsreporterin hat mit der Medienrechtlerin Gill Phillips einen Leitfaden für Gerichtsreporter erarbeitet.

Rechtskenntnisse nötig

Den Expertinnen nach schreckt Gerichtsberichterstattung Richter ab, sich unangemessen zu verhalten. Eine vollständige Berichterstattung fördere die Werte der Rechtsstaatlichkeit. Die Gerichtsberichterstattung ist ein Fachgebiet des Journalismus, das als eigenständige Disziplin gelehrt wird. Gerichtsberichterstatter müssen Rechtskenntnisse haben, um unter anderem sicherzustellen, dass die Inhalte fair und korrekt sind, damit keine Klagen gegen Veröffentlichungen erhoben werden.

Dass sich immer weniger Journalisten für diese Sparte finden, liegt daran, dass sie den wohl härtesten Job haben. Morde, Vergewaltigungen, Messerstechereien, sexueller Missbrauch von Kindern, Betrug, Drogen, Waffen, Raub und Terrorismus sind Teile des trüben Sumpfes, in dem sich die Gerichtsreporter täglich bewegen. Sie müssen sich ständig schreckliche Details anhören und in der Lage sein, ihre eigenen Gefühle und Emotionen beiseite zu schieben, um objektiv zu berichten.

Weinen im Gerichtssaal

Journalisten, die über den Fall Lucy Letby berichteten, eine Kinderschwester, die sieben Babys getötet hat, gaben zu, während der Beweisaufnahme geweint zu haben oder auf die Toilette gelaufen zu sein, um sich zu übergeben. Liz Hull von der britischen Boulevardzeitung "Daily Mail", eine erfahrene Gerichtsreporterin, war an jedem Tag des Prozesses anwesend. Sie sagt, dass sie während des Prozesses zum ersten Mal in ihren 25 Jahren als Journalistin im Gerichtssaal geweint habe.

2024 verbrachten die "Le-Monde"-Reporter Henri Seckel und Pascale Robert-Diard 48 Tage in einem Gerichtssaal in Avignon. Sie berichteten über den Prozess gegen Dominique Pelicot und die anderen Männer, die beschuldigt wurden, seine Frau Gisèle vergewaltigt zu haben. Sie sahen sich Videos der schmutzigen Angriffe an und hörten sich Tag für Tag die Details des Falls an. Sie sagten: "Jeden Tag dachten wir, wir hätten das Schlimmste gesehen und gehört. Aber am nächsten Tag kam es noch schlimmer."

(Ende)
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