pts20030131017 Politik/Recht, Umwelt/Energie

Deutsche AIDS-Hilfe e.V.: Drogenhilfe in Deutschland gefährdet

Am Montag beginnen in Bielefeld Prozesse gegen ehemalige Polizeiführung und Drogenhilfemitarbeiter


Berlin (pts017/31.01.2003/11:13) Am Montag beginnt vor dem Bielefelder Landgericht ein von der Staatsanwaltschaft Bielefeld angestrengter Prozess gegen den Geschäftsführer der Bielefelder Drogenberatung e.V., den Leiter des ambulanten Bereichs sowie den ehemaligen Leiter der niedrigschwelligen Drogenhilfeeinrichtung des Vereins. Ihnen wird vorgeworfen, "gemeinschaftlich und vorsätzlich anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb, zur unbefugten Abgabe sowie zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft zu haben". Die AIDS-Hilfe Bielefeld e.V. und die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH), Dachverband von bundesweit über 120 AIDS-Hilfen, sehen bei einer Verurteilung der Angeklagten die gesamte, sehr erfolgreich arbeitende niedrigschwellige Drogenhilfe in Deutschland und damit einen zentralen Baustein der Überlebenshilfe und Gesundheitsfürsorge für Drogengebraucher/innen in Gefahr. Und dies umso mehr, als zeitgleich ein von der Münsteraner Staatsanwaltschaft angestrengter Prozess gegen die ehemalige Bielefelder Polizeiführung beginnt, denen "Beihilfe zur verbotenen Prostitution" vorgeworfen wird - Hintergrund ist ihre Kooperation mit der AIDS-Hilfe Bielefeld, der Drogenberatung und der Stadt Bielefeld im Rahmen eines Projekts, das für Beschaffungsprostituierte Angebote der Gesundheitsfürsorge, Überlebenshilfe, Ausstiegsberatung, Gewaltprävention und des Opferschutzes bereithielt.

"Es mutet geradezu grotesk an, die Mitarbeiter/innen der niedrigschwelligen Drogenhilfe und die ehemalige Polizeiführung plötzlich zu kriminalisieren und die bundesweit als modellhaft angesehene 'Bielefelder Ordnungspartnerschaft' mutwillig zu zerstören", erklärt dazu DAH-Drogenreferent Dirk Schäffer. Schließlich sei das dezentrale und niedrigschwellige Drogenkonzept mit der Politik, der Verwaltung, der Staatsanwaltschaft, der Polizei und den Beratungsstellen abgestimmt und ausdrücklich vereinbart worden. "Diese Kooperation hat große Erfolge aufzuweisen", so Schäffer weiter. "In vielen Fällen ist es gelungen, einen Einstieg in die Beschaffungsprostitution zu verhindern bzw. einen Ausstieg zu ermöglichen, viele Drogengebraucher/innen sind erfolgreich in das Substitutionsprogramm, Entgiftungen oder eine Therapie vermittelt worden, durch Vergabe von sterilen Spritzen konnten HIV- und Hepatitisinfektionen verhindert werden, die Beschaffungskriminalität und insbesondere die Beschaffungsprostitution sind zurückgegangen, Beschaffungsprostituierte sind erfolgreich gegen sexuelle Gewalt vorgegangen."

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, in der niedrigschwelligen Einrichtung der Drogenberatung sei - ohne dass Mitarbeiter/innen adäquat oder genügend eingegriffen hätten bzw. sogar im Rahmen eines angeblichen "Grauzonenkonzeptes" - über die Maßen gedealt und konsumiert worden, ist nach Auffassung der DAH unhaltbar. (Auch die zunächst mit dem Verfahren betraute Richterin zog die Einstellung des Verfahrens wegen geringfügiger Schuld in Erwägung, was die Staatsanwaltschaft Bielefeld aber ablehnte. Nach einem Wechsel des vorsitzenden Richters sowie der gesamten Kammer - nach Aussagen des Gerichts ein normaler Vorgang - eröffneten die nun zuständigen Richter die beiden Hauptverfahren, die sie aus "prozessökonomischen" Gründen zusammenlegten.) Die DAH fordert daher die Einstellung des Verfahrens sowie Rechtssicherheit für die niedrigschwellige Drogenarbeit durch die sofortige Streichung des § 29 Abs. 1, Ziff. 10 des Betäubungsmittelgesetzes (Verschaffung und Gewährung einer Gelegenheit zum unbefugten Gebrauch).

Weitere Informationen unter www.drogenberatung-bielefeld.de/news.htm und www.aidshilfe.de

(Ende)
Aussender: Deutsche AIDS-Hilfe e.V.
Ansprechpartner: Holger Sweers
Tel.: 030-690087-52
E-Mail: holger.sweers@dah.aidshilfe.de
|