pts20050511011 Bauen/Wohnen, Medien/Kommunikation

Öko-Test mit "Liegekomfort" von Matratzen in der Kritik


Frankfurt (pts011/11.05.2005/10:00) Öko-Test hat für den "Test Latexmatratzen" (05/2005) Experten damit beauftragt, auf einem Prüfstand mit unterschiedlichen Stempeln zu simulieren, "wie gut der Liegekomfort der Matratzen ist". Damit macht die Zeitschrift Öko-Test den "Liegekomfort" von Matratzen zu einer objektiven Größe und bekräftigt verbreitete Irrtümer.

Es lassen sich sicher viele physikalische und chemische Eigenschaften von Matratzen erfassen, den "Liegekomfort" einer Matratze zu ermitteln, aber kann man ihn genausowenig wie den "guten Geschmack" eines Weines festlegen. Denn "Liegekomfort" ist entgegen dem Sprachgebrauch keine Produkteigenschaft, sondern die individuelle Einschätzung vom Wohlgefühl bei der Nutzung einer Matratze.
Der Liegekomfort selbst wird aber nicht gemessen, sondern errechnet aus den Parametern "Biegelastizität", "Punktelastizität", "Körperzonenstützung" und "Schulterzonenentlastung".
Diese wiederum werden nach einem Verfahren ermittelt, "das sich sowohl an technischen Meßstandards als auch an den Erfordernissen eines liegenden Menschen orientiert" (Zitat Öko-Test, Heft 5/2005). Damit ist für Öko-Test die Vorstellung und Begründung des Prüf- und Bewertungssystems belegt.

Der Kern dieses Prüfverfahrens beruht also auf Voraussetzungen, die nicht belegt, begründet oder definiert werden:

a) die "technischen Messstandards",
b) die "Erfordernisse eines liegenden Menschen" und
c) die angegebenen Parameter.

Das Bewertungssystem verschwindet damit in einer Art "Black Box". Und die meisten Leser werden das wahrscheinlich nicht einmal bemerken.
Einige grundsätzliche Überlegungen machen aber bereits deutlich, dass Öko-Test mit diesem Ansatz falsch liegen muss. Wir wollen dies, ausgehend von den "technischen Meßstandards", erläutern. Hier stellt sich gleich die Frage: Wie können die Formen für die Stempel überhaupt definiert werden und wie die Kriterien für das Messverfahren? Sie müssen ja abgeleitet worden sein von den "Erfordernissen eines liegenden Menschen."

Und hinter dieser sehr zurückhaltend formulierten Äußerung kann sich nichts anderes verbergen als die Annahme, dass es eine ideale Lagerung des Menschen auf einer Matratze gibt. Wie die ideale Lagerung des Menschen aussehen soll, dazu findet sich kein Hinweis. Aber ohne ein derartiges Profil (von der idealen Lagerung) können auch keine Messungen und Bewertungen vorgenommen werden, will man nicht im Trüben fischen.

Die sich anschließende Frage, ob ein derartiges Idealprofil überhaupt aufgestellt werden kann, ergibt sich gar nicht erst aus der Logik der Verfasser. Und dennoch muss dieses Profil irgendwie da sein, nach welcher Maßgabe sollte sonst geurteilt werden? Es gibt aber keinen Hinweis, woher es kommt und wer bzw. wie es aufgestellt wurde.

Die Unmöglichkeit einer derartigen "Profil-Bestimmung" wollen wir anhand von Fragestellungen demonstrieren. Wenn es um Entlastungen und Stützungen geht, müssen Verhältniszahlen ermittelt werden, z. B. wie stark ist der Druck am tiefsten Punkt des Eindruckes und wie stark ist der Druck daneben mit weniger Eindrucktiefe (wie beim Verhältnis von Gesäß zum Kreuzbereich). Welches Druckverhältnis ist nun das richtige, nach welcher Körperform, nach welcher Körperproportion und nach welcher Körpergewichtsverteilung wurde es aufgestellt?

Geht es dabei um die Vorstellung einer gleichmäßigen Druckverteilung oder um eine Druckverteilung proportional zur Eindrucktiefe? Wieviel Unterstützung braucht die Wirbelsäule? Wessen Wirbelsäule? Von welcher Form der Wirbelsäule wird ausgegangen? Einer aufrechten? Einer liegenden? Einer entspannten Wirbelsäule oder einer verspannten? Von einer morgendlichen Wirbelsäule, der Wirbelsäule am Abend? Wird bei den Formen von einem flachen Gesäß oder einem voluminösen ausgegangen, von einem breiten Rücken oder einem schmalen? Von einem kurzen Rücken oder von einem langen?

Je mehr Fragen wir dazu aufreihen, desto deutlicher wird, dass die Frage, wieviel Unterstützung braucht die Wirbelsäule? sich nicht allgemein beantworten läßt, denn diese Frage kann man nur für eine individuelle Wirbelsäule stellen. Ein festgelegtes Ideal von "der Wirbelsäule" kann es nicht geben, weder von der Form noch von der Stützung noch von den Spannungen im Bänderapparat, ebensowenig wie es eine ideale Lagerung des menschlichen Körpers gibt oder die ideale Matratze.

Selbst der Ansatz, sich statistisch dieser Vorstellung anzunähern, in dem man die Messwerte an einer Matratze nachvollzieht, auf der sich viele Menschen wohlfühlen, und diese Daten zur Bewertungsvorgabe erhebt, wäre willkürlich und würde nach der Normalverteilung den größten Teil der Menschen ausschließen.

Die interessante Frage ist nun, wo das mysteriöse Bewertungsprofil herkommt. Wir können uns nicht vorstellen, dass Öko-Test sich diese Vorgabe selbst ausgedacht hat. Es ist eher anzunehmen, dass sie von den eingangs erwähnten Experten mit den "messtechnischen Standards" stammt. Wie können diese Experten wiederum zu so einem Profil gekommen sein? Wahrscheinlich lag dieses Profil schon vor und wurde bei zurückliegenden Testserien (im Auftrag der Matratzenindustrie) entwickelt.

Erfahrungsgemäß läuft das etwa so ab:
Die "grauen Männer" (technische Experten) befragen "Männer im weißen Kittel" (meistens Orthopäden) und ermitteln an den vorliegenden Matratzen (des Aufraggebers) die Werte, bei denen verschiedene Testpersonen die größte Übereinstimmung bezüglich ihres Wohlbefinden kundtun. Diese Werte werden dann als Referenz bei zukünftigen Untersuchungen empfohlen und so weiter. Schließlich haben sie sich dann als "messtechnische Standards" verselbstständigt.

Weiter möchten wir hier nicht spekulieren, aber darauf verweisen, dass solche Vorgehensweisen völlig zufällig und willkürlich sind, zumal das Problem des zu untersuchenden "Gegenstandes" (Komfort auf einer Matratze) überhaupt nicht erfasst worden ist. Das stört aber keinen der Beteiligten, die Techniker haben ja nur ihre Messaufgabe erfüllt, die Mediziner ihre Ratschläge gegeben und die Auftraggeber sind zufrieden, weil sie nun "wissenschaftliche" Belege haben, dass ihre Matratzen einen guten Liegekomfort haben.

Dass Öko-Test wirklich an die Möglichkeit einer objektiven "Komfortbestimmung" glaubt und dabei die Punktelastizität als Ziel per se ansieht, zeigt sich bei der Kommentierung der Prüfergebnisse. Die Verfasser stellen mit Erstaunen fest, dass "nur zwei der getesteten Matratzen gute Punktelastizität" hatten und wundern sich, dass " ein straff gespannter, steifer und mehrfach versteppter Bezug den Matratzenkern erheblich verhärten" kann.

"So wird die gewünschte punktbezogene Elastizität in ein eher flächiges Verhalten mit eingeschränkter Anpassungsfähigkeit der Matratze verwandelt" (Zitate Öko-Test). Das ist völlig richtig. Aber die Verfasser nehmen anscheinend an, dass die Hersteller nichts davon wissen und blind ihre Matratzen konzipieren.

Selbst bei solchen konkreten Überlegungen kommt es Öko-Test nicht in den Sinn, dass vielleicht mit dem eigenen Bewertungssystem etwas nicht stimmen könnte.
Dabei wissen die Öko-Tester genau, dass es sehr verschiedene Matratzentypen gibt, die alle ihre Käufer finden, Matratzen mit den unterschiedlichsten Konzeptionen, sei es mit festen Kernen und weichen Oberflächen oder umgekehrt, wobei sich sowohl die Kerne als auch die Oberflächenbereiche entweder durch punktelastisches oder flächiges Verhalten auszeichnen können. Und diese großen Unterschiede bei den Matratzen gibt es nicht deswegen, weil es die Hersteller nicht besser wissen, sondern weil die Kunden es so wünschen, anders könnte diese Vielfalt gar nicht bestehen.

Die Matratzentester können natürlich so viel messen wie sie wollen. Wenn die Bewertung aber auf Bereiche übergeht, die etwas mit "Komfort" oder "Geschmack" zu tun haben, wäre es angemessen, Umfragen zu starten, statt mit technischen "Methoden" subjektive, individuelle Wahrnehmungen und Einschätzungen als Produkteigenschaften hinzustellen.
Solche Verdrehungen der Verhältnisse durch einen der wichtigsten Meinungsbildner im Öko-Bereich dienen nicht der Aufklärung der Verbraucher, sondern Ihrer Verunsicherung. So haben wir in der Tat immer wieder Kunden, die nicht ihrer eigenen Wahrnehmung trauen wollen und unsicher nachfragen, ob sie auch "objektiv richtig" liegen!

Wir stehen dem "Test Latexmatratzen" aber auch deswegen besonders kritisch gegenüber, weil Öko-Test mit seiner Denkweise nicht allein steht, sondern durchaus im "Mainstream" ähnlicher Erklärungsmodelle liegt, wie sie von diversen Betten-Ratgebern und Publikationen der Matratzenindustrie verbreitet werden. Durch den Testbericht werden diese gebetsmühlenartigen Behauptungssysteme nochmals bekräftigt und sozusagen "wissenschaftlich" legitimiert. Wir bedauern, dass Öko-Test es hier nicht schafft, die Trivialisierung des Denkens zu durchbrechen, was einem kritischen Magazin aber durchaus zustünde.

Ansprechpartner:
Rainer Postl, E-Mail: info@biosaffair.de
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