pts20051017045 Politik/Recht, Bildung/Karriere

Gewerbeverein: Bildung im Spannungsfeld Gesellschaft/Wirtschaft

Johannes Huber, Arthur Mettinger & Josef Taus zur Zukunft der Bildung


Wien (pts045/17.10.2005/21:27) Die Zukunft der geisteswissenschaftlichen Studienrichtungen an der Universität stand im Mittelpunkt einer spannenden Diskussion, die dieser Tage in den Räumen des Österreichischen Gewerbevereins (ÖGV) stattfand. Mitveranstalter waren der Alumniverband der Universität Wien und die Gesellschaft für Bildung und Kultur.

Mit Frauenarzt und Theologe Johannes Huber, dem für Studienangelegenheiten zuständigen Vizerektor Arthur Mettinger (Uni Wien) und Unternehmer-Urgestein Josef Taus stellte sich - moderiert von Alumni-Geschäftsführer Dominik Kimmel - ein kompetentes Podium dem schwierigem Thema: Bildung im Spannungsfeld von Gesellschaft und Wirtschaft.

Ausgangspunkt waren die jüngsten Ereignisse an der Innsbrucker Universität, wo ab Herbst 2006 eine Reihe von geisteswissenschaftlichen Fächern, insbesondere Lehramtsfächer, gestrichen werden sollen.

"An der Wiener Universität wird derzeit der Umstieg in die europäische Studienarchitektur mit Bakkalaureat, anschließender Möglichkeit zum Magisterium und danach Doktoratsstudium vorbereitet", stellte eingangs Arthur Mettinger fest. Das kurze Bakkalaureatstudium, bei dem man nach drei Jahren die Universität verlassen, aber auch weiterstudieren kann, wird die drop out Quoten und die Verweildauer auf der Universität abkürzen. Die wissenschaftliche Qualifikation soll aber dennoch Hauptaufgabe der Universität bleiben und das Magisterium forciert werden. Die Universität soll nicht Berufsausbildung sondern Berufsbildung vermitteln. Obwohl intensiv an einem Umbau und teilweiser Zusammenlegung von Zwei- und Mehrgleisigkeiten gearbeitet wird, ist - zumindest in Wien - an eine Beschneidung der Fächervielfalt nicht gedacht. Sehr wohl muss es aber in den einzelnen Disziplinen Verschiebungen vom Fakten- zum Methodenwissen geben, da die Studenten mehr Selbstständigkeit erwerben müssen. Die Skills hierfür - wie etwa Projektmanagement - sollen den Studierenden auf der Universität beigebracht werden. Die Frage wie aufnahmefähig die Universität hinsichtlich der Anzahl der Studierenden bleiben kann, ist nur von der Bundesregierung zu entscheiden, da die Universität von ihren eigenen Mitteln her an Grenzen stößt.

Johannes Huber wies darauf hin, dass die menschlichen Verhaltensmuster in der frühen Kindheit bis zur Pubertät geprägt werden. Wenn die Kinder bis dahin nicht gelernt haben, ihre eigene Wichtigkeit zurückzunehmen und Vertrauen, Ehrlichkeit sowie Menschenfreundlichkeit zu entwickeln, kann dies später kaum nachgeholt werden. Wir haben weniger Freiheit als wir glauben. Kinder, die in dieser Zeit über mediale Einwirkung intensiv mit Gewaltdarstellungen konfrontiert werden, sind 30 Jahre später zu 80 % gewalttätiger als andere. Deshalb ist es so wichtig, dass in unserer Gesellschaft der ethische Grundkonsens in allen Lebensbereichen wie Politik, Umwelt, Wirtschaft, Medizin, über alle gesetzlichen Regelungen hinaus, erhalten bleibt. Wenn die menschliche Eigenverantwortlichkeit nicht vorhanden ist, herrscht purer Egoismus und auch die Transaktionskosten steigen, wenn einer den anderen über den Tisch zieht. So ist nicht durch Gesetze zu regeln, wie ein Arzt einen Patienten aufklärt und begleitet, wenn er eine Krebsdiagnose vermitteln muss. Auch was ein Forscher im Labor der Reproduktionsmedizin tut, kann nicht überwacht werden. Deshalb hält Huber ein Plädoyer für so genannte Orchideenfächer, die dafür sorgen, dass in unserer Gesellschaft die zahlreichen Fragen aus Ethik, Religion, Philosophie, Geschichte (eigener und anderer Völker) - um nur einige zu nennen - lebendig bleiben. Die großen Probleme, die auf uns zukommen - ab 2010 etwa wird es zu einer gigantischen Vermehrung der Über-85-jährigen kommen - verlangen viel humanes Verständnis und Handeln von der jüngeren Generation, das mit reinem Fachwissen nicht zu lösen ist. "Wir wollen - im Gegensatz zur Schweizer Akademie der Wissenschaft - in Österreich nicht via Internet diskutieren, was man an Steuergeldern sparen kann, wenn mehr Alte wegen Krankheit oder Einsamkeit "freiwillig" aus dem Leben scheiden", so Huber.

Ebenso wie Huber plädiert Josef Taus dafür, dass in jeder Gesellschaft ein ethischer Grundkonsens in das Bildungskonzept einfließen muss. Derzeit ist die Stellung der Wirtschaft in den westlichen Gesellschaften überhöht, aber es führt kein Weg zurück. Aufgabe der Wirtschaft ist die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Die Mehrzahl der Studierenden wollen sich im Studium Wissen aneignen, das sie für ihren Lebensunterhalt verwenden können - für eine bessere Zukunft. Daher muss sich die Universität auch überlegen, was sie den jungen Leuten beibringt, ohne die Rationalität aus den Augen zu verlieren. Österreich ist ein kleines Land und sicher gibt es Einsparungsmöglichkeiten durch Fusionen im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich. Wo man keinesfalls sparen dürfe, sind die Lehramtsfächer. Die Erziehungsarbeit in den Familien wird durch Berufsarbeit der Eltern oder Alleinerzieher immer mehr an die Schule delegiert. Daher ist es so wichtig, dass die Lehrenden nicht einseitig, sondern auch in Kulturwissenschaften und Ethik, ausgebildet sind. Das jetzige System in den Lehramtsstudien, wo etwa Mathematik oder Physik mit Geschichte oder Religion kombiniert werden, ist ein guter Ansatz. Taus plädierte, dass auch Volks- und Hauptschullehrer akademisch ausgebildet werden, mit einem Schwerpunkt auf Ethik und Kulturwissenschaften, da die Kinder in den Familien in dieser Hinsicht immer weniger erfahren. Der durchschnittliche Universitätsabsolvent muss leben können, er muss aber auch wissen, dass Bildung nicht weniger Arbeit bedeutet, sondern, dass er mehr arbeiten muss als andere. Die Kulturwissenschaften müssen sich organisieren, sie sind nicht unwichtiger geworden. Viele aktuelle Probleme werden angesprochen, Grundlagenforschung, gemeinsame Wurzeln mit den Oststaaten, das eigene Selbstverständnis in der Geschichte, Sprache und Kultur anderer Länder. Taus hat auch selbst einen Sinologen als Mitarbeiter, den er sehr erfolgreich einsetzt. Dass einer derart tief gehenden Podiums- eine ebenso qualitativ angesiedelte Publikumsdiskussion folgte, liegt auf der Hand.

Tenor: Das Thema ist so vielschichtig, dass noch viele im Umfeld angesiedelte Diskussionen folgen sollten. Wir werden das ernst nehmen.

(Ende)
Aussender: Österreichischer Gewerbeverein
Ansprechpartner: Herwig Kainz
Tel.: +43/1/587 36 33
E-Mail: h.kainz@gewerbeverein.at
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