pts20060313033 Politik/Recht

Gewerbeverein: Das Vergaberecht ist so schwammig wie unsere Politikerreden!

Abweichungen brauchen eine Begründung - aber ohne sachliche Rechtfertigung


Wien (pts033/13.03.2006/22:43) Wen wundert es, dass die Gesetzesformulierungen immer stärker der Wolkigkeit der Sonntagsreden unserer Politiker nacheifern. Der vorläufige Gipfel wurde nun mit dem ab 1.2.2006 geltenden Bundesvergabegesetz erreicht, meint man im Österreichischen Gewerbeverein (ÖGV)!

So sieht das Gesetz etwa vor, dass sich Auftraggeber grundsätzlich an Leitlinien zu halten haben - im Wesentlichen ÖNORMEN und standardisierte Leistungsbeschreibungen. Im Einzelnen kann aber davon abgewichen werden. In diesem Fall ist das Abgehen in den Ausschreibungsunterlagen offen zu legen und zu begründen. Ausdrücklich wird aber festgehalten, dass diese Begründungspflicht keiner "sachlichen Rechtfertigung" bedarf.

Als plakatives Beispiel: Der öffentlich-rechtlich ausschreibende Beamte wird dann vielleicht vermerken, dass die ÖNORM B 2110 nicht gilt sondern seine persönliche Willkür und wird dies damit begründen, dass ihm während der Abfassung der Ausschreibung gerade der neue Schuh gedrückt hat. Genau so könnte es ablaufen.

Unter einer Begründung versteht man in zivilisierten Ländern stets die Darlegung der sachlichen Gründe, die eine Entscheidung tragen. Was ist denn eine Begründung wert, der genau jenes Element fehlt, das sie stützen soll - nämlich die sachliche Rechtfertigung?

Öffentlich-rechtliche Auftraggeber arbeiten naturgemäß im politiknahen Umfeld. Und Politik versucht immer schwammiger zu werden was ihr auch glänzend gelingt. Dass diese Schwammigkeit längst auf Gesetze übergesprungen ist, wissen wir auch. Fast wird ja schon jedes zweite Gesetz von Oberstgerichten kassiert.

Und die Gesetzesproduzenten im Nationalrat für diese Formulierung verantwortlich zu machen - das wäre zuviel verlangt. Wer 5.000 Seiten Gesetzestext im Jahr durchwinkt, wird sich doch nicht um Peanuts wie Begründungspflicht ohne sachliche Rechtfertigung auch noch kümmern. Wo kommen wir denn da hin.

Die deutsche Judikatur denkt da schon anders. Die lässt Abweichungen bei Ausschreibungen nur sehr restriktiv zu. Wenn nämlich allzu weit von der Norm abgewichen wird, dann ist wohl die Macht-Ausgewogenheit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer gestört.

Die Machtausgewogenheit ist aber im Vergaberecht - und auch sonst - nirgend wo in Österreich gegeben.

Die öffentliche Hand macht was sie für sich für richtig erachtet. Von wegen Rechtsstaat!

(Ende)
Aussender: Österreichischer Gewerbeverein
Ansprechpartner: Herwig Kainz
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E-Mail: h.kainz@gewerbeverein.at
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