Pakistan: Tödliches Schweigen der Medien
Fehlende Bilder der Katastrophe verzögern den Spendenfluss
Überflutungen in Pakistan: Welt hat zu lange weggeschaut (Foto: World Vision) |
Berlin/Hamburg/Wien (pte003/17.08.2010/06:10) Die Medien tragen Mitschuld daran, dass es auch drei Wochen nach Beginn der Überflutungen in Pakistan noch kaum nennenswerte Spendenflüsse gibt. Sie haben es zu lange verabsäumt, die Not zu zeigen und um Spenden zu bitten. Das betonen die Organisationen, die vor Ort Hilfe leisten. "Die Medien ließen lange auf sich warten. Hilfsorganisationen schrien lange um Hilfe, doch erst vergangenes Wochenende erschienen die ersten Bilder im Fernsehen und Print", so Michael Opriesnig vom österreichischen Roten Kreuz http://www.roteskreuz.at gegenüber pressetext.
Schon seit der letzten Juliwoche legen Überflutungen durch ungewöhnlich heftige Monsunregen Pakistan lahm, machten bis zu 20 Mio. Menschen obdachlos und forderten bisher 1.300 Todesopfer. Sie zerstörten Ernten und Lebensmittel und setzten eine Fläche der Größe Italiens unter Wasser. Hungersnöte und Seuchen drohen, und noch immer regnet es. Als "genauso folgenschwer wie das Erdbeben in Haiti" bezeichnete UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon die Not des Landes. Doch selbst die sonst schnellen sozialen Medien wie Twitter, Facebook und Co. haben das Thema bisher kaum wahrgenommen. Tragisch ist das deshalb, da das Internet längst die Spendenbereitschaft mitbestimmt.
Spenden flossen nach Haiti 30mal schneller
Dass Medieninteresse den Spendenfluss steuert, verdeutlicht Maria Rüther, Sprecherin der Aktion Deutschland hilft http://www.aktion-deutschland-hilft.de . "Bis Freitag der Vorwoche betrug die Spendensumme für Pakistan bei uns 300.000 Euro. Immerhin haben die Fernsehbilder am Wochenende diesen Betrag verdoppelt", so die Expertin gegenüber pressetext. Allerdings kamen im gleichen Zeitraum nach dem Haiti-Erdbeben 10,5 Mio. Euro zusammen.
Für die Menschen in Katastrophengebieten ist weltweite Aufmerksamkeit eine Überlebensfrage, für Hilfsorganisationen eine Grundvoraussetzung der Arbeit. "Eine Katastrophe, die Medienkriterien nicht erfüllt, ist eine vergessene Katastrophe", schreibt Richard Munz, ein jüngst in Haiti verstorbener Rotkreuz-Notarzt, im Buch "Im Zentrum der Katastrophe". Bei derartigen Ereignissen wolle man dringend Hilfseinsätze durchführen, es fehle aber an Spendengeldern zur Finanzierung aller nötigen Hilfsoperationen.
Wettkampf der Katastrophen
"Medientauglich" ist für Munz eine Katastrophe erst, wenn nicht andere Ereignisse gleichzeitig spannend und unterhaltend sind. Es könne stets nur ein derartiges Ereignis geben. "Eine Medienkatastrophe wird zwangsläufig immer alle anderen Katastrophen vergessen lassen." Deutschland-hilft-Sprecherin Rüther bestätigt dies. "Die Fluten in Deutschland und Polen haben Pakistan bisher überlagert." Problematisch ist zudem, dass Überflutungen die Medien oft erst sehr schleichend interessieren, während große Erdbeben die Aufmerksamkeit ruckartig fesseln.
Doch auch das Image Pakistans ist eine Hürde. Um dieses steht es schlecht, berichtet Joachim Betz vom Institut für Asienstudien http://www.giga-hamburg.de gegenüber pressetext. "Die meisten denken bloß an Taliban, Atommacht und Korruption. Das ist nicht die einzige Realität, zudem ist das Land extrem rückständig und kann die Opfer nicht durchfüttern, wie viele glauben." Ein weiterer Stolperstrick ist für Betz die Größe. "Haiti ist klein, was sympathisch macht und den Eindruck vermittelt, dass meine kleine Spende hilft. Pakistan hat 140 Mio. Einwohner."
Mitgefühl braucht Bilder und Steigerungen
Die ersten Meldungen der Katastrophe und ihre dramaturgischen Steigerungen an den Folgetagen sind ganz wesentlich für die Spenden, kommt Munz zum Schluss. "Zwangsläufig müssen die Meldungen sich immer weiter übertreffen, damit die Berichterstattung nicht wegen drohender Langeweile eingestellt wird", analysiert der Katastrophenhelfer. Dadurch werde eine Katastrophe, die es in die Medien geschafft habe, allmählich immer mehr übertrieben und überzeichnet, wobei Korrekturen der Zahlen Monate später niemand mehr interessieren.
Für die Hilfsorganisationen ist nun jedenfalls "die Medien wachrütteln" oberste Devise für die nächsten Tage. "Wir werden persönliche Berichte aus dem Gebiet liefern, damit Pakistan emotional näher rückt", so Rüther. Gleiches kündet auch Opriesnig an. "Journalisten waren in Pakistan nicht wie in Haiti gleich vor Ort. Das müssen wir nun nachholen. Es geht darum, durch Bilder und Personen betroffen zu machen und den Menschen zu erlauben, dass sie sich in die Lage der Opfer hineinversetzen."
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