Atomausstieg: Chancen besser als 2000
Energieexperte: "Verteidigungskampf der Stromerzeuger vergeudet Zeit"
KKW Isar Ohu: Deutscher Atomstrom nur noch bis 2022 (Foto: pixelio.de/Bechen) |
Hamburg (pte018/30.05.2011/12:50) Deutschland wird spätestens 2022 die Erzeugung von Atomstrom einstellen. Das hat die Regierung in der Nacht auf heute, Montag, beschlossen. Inhaltlich wiederholt dies den rot-grünen Entscheid vom Jahr 2000, der im Vorjahr durch die Laufzeitverlängerung außer Kraft gesetzt worden war. "Einen 'unumkehrbaren' Entscheid gab es schon einmal. Hoffnung gibt jetzt, dass nun die bisherigen Atomausstieg-Blockierer CDU, CSU und FDP dahinterstehen", erklärt Stefan Schurig, Klima- und Energiedirektor beim Weltzukunftsrat http://worldfuturecouncil.org , im pressetext-Interview.
Betreiber denken noch nicht um
Hinter dem Schwenk in der Politik stehe eindeutig der wachsende Widerstand der Bevölkerung in Folge der immer noch anhaltenden Fukushima-Katastrophe. "Die Politiker wussten schon bisher, dass Atomstrom keine Option mehr darstellt - aufgrund des hohen Preises, der Sicherheitsgefahr und auch aus Demokratiegründen, da er nicht mehrheitsfähig ist. Der riesige Widerstand seitens der Atomkraft-Betreiber verhinderte aber bisher das Zurechtrücken von Fehlentscheidungen."
Die großen Atomenergie-Betreiber seien derzeit vorübergehend geschwächt, aufgegeben hätten sie deshalb jedoch noch nicht. "Sie bekämpfen Kritik, als ob diese persönlich gemeint wäre, liefern einen rituellen Verteilungskampf und verspielen damit nur Zeit", so Schurig. Der Experte fordert die Stromversorger auf, nicht bewusst Engpässe und Ausfälle herbeizuführen, die "aus technischer Sicht kein Muss" seien. "Anstelle dessen gilt es offensiv für den Wandel Sorge zu tragen - etwa durch Businessmodelle für erneuerbare Energien und Netzausbau."
Vorbild für die Welt
International erwartet der Experte von der Entscheidung der Regierung Signalwirkung, gehört Deutschland doch zu den größten Energieproduzenten. "Der Ausstieg wird Nachahmer finden." Bisher bezog sich die weltweite Anerkennung in der Energiepolitik vor allem auf das Erneuerbare-Energie-Gesetz. Dieses zähle ebenfalls zu den Vorbedingungen des heutigen Beschlusses. "Nur deshalb, weil man in den vergangenen Jahren den Anteil der Erneuerbaren von drei auf 15 Prozent erhöhte, kann man jetzt aus der Kernenergie aussteigen."
Die AKW-Ausbaupläne in Russland, Tschechien, der Slowakei und Polen sieht Schurig mit Gelassenheit. "Tatsächlich in Bau ist in Europa derzeit nur ein AKW in Finnland. Man wird hier sehr deutlich daran erinnert, wie ein AKW-Neubau tatsächlich aussieht: Die Bauzeit wird sich weit über zehn Jahre hinziehen, es gibt zahlreiche Komplikationen und die Kosten erreichen bald die sechs-Mrd.-Euro-Grenze - doppelt so viel wie geplant. Ausbau-Ankündigungen einzelner Länder halten einer nüchternen Kalkulation kaum stand - ist doch Atomkraft die gefährlichste und teuerste Form, Wasser zu kochen und daraus Strom zu gewinnen."
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