pte20110714021 Politik/Recht, Medien/Kommunikation

Hunger in Ostafrika: Nothilfe ist zu wenig

Experten: Staatliche Strukturen am Horn brauchen Stärkung


Unternernährtes Kind: Ohne Langzeithilfe keine Zukunft (Foto: FlickrCC/Crowley)
Unternernährtes Kind: Ohne Langzeithilfe keine Zukunft (Foto: FlickrCC/Crowley)

Giessen/Bonn/Hamburg (pte021/14.07.2011/12:45) Die humanitäre Hilfsaktionen der UNO und der NGOs sollten künftig nicht mehr abwarten, bis Krisenregionen wie aktuell das von einer großen Hungersnot geplagte Ostafrika völlig zum Erliegen kommen. Frühere strukturelle Unterstützung würde viel Leid ersparen, betont Michael Krawinkel, Experte für Ernährung in Entwicklungsländern und Leiter des Instituts für Ernährungswissenschaft der Universität Giessen http://www.uni-giessen.de , im pressetext-Interview.

Die seit Monaten andauernde Hungerkatastrophe in Somalia, Kenia, Äthiopien, Uganda und Dschibuti hat das UN-Flüchtlingskommissariat am Montag als "schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt" bezeichnet. Mehr als zehn Mio. Menschen sind in Folge der langen Trockenheit und Missernten vom Hungertod bedroht. Anders als in bisherigen Hungersnöten trägt diesmal nicht der Anstieg der Nahrungsmittelpreise die Hauptschuld, so Krawinkel. "Durch die Dürre verlieren jene ihre Grundlage, die sich bisher selbst versorgt haben - was noch dramatischer ist."

Risikoregion ohne Schutz

Zur Katastrophe wurde die Situation am Horn von Afrika vor allem durch die hohe Vulnerabilität der Region. Sie verfügt über keinerlei Schutz- oder Vorsorgemaßnahmen, betont Krawinkel. "Simbabwe gelang es zumindest in früheren Jahrzehnten, Dürren durch rechtzeitige Anlage großer Kornspeicher zu überbrücken. Auch gäbe es durchaus geeignete Formen der Landwirtschaft wie das 'desert farming' oder Baumpflanzungen, die schon in Kenia und Südasien Erfolg zeigten."

Das dafür nötige, längerfristige Engagement fehle jedoch in Ostafrika, so der Experte. Trotz der Frühwarnsysteme warte die Staatengemeinschaft zu lange auf die Katastrophe. Zudem würden auch viele Hilfsorganisationen meist 'improvisieren' und sich auf unmittelbare Nothilfe konzentrieren, statt vorhandene Strukturen zu erfassen und sie auf staatlicher, Distrikt- oder Dorfebene zu stärken. "Notversorgung ist unabdingbar. Sie braucht aber auch längerfristige Übergangshilfe, die es den Empfängern ermöglicht, wieder selbst aufzustehen."

Ausgedehnte Nothilfe

Für Maria Rüther, Sprecherin der Aktion Deutschland Hilft http://www.aktion-deutschland-hilft.de , greift die Bezeichnung "improvisierte Hilfe" im aktuellen Fall Ostafrikas zu kurz. "Die derzeitige Nothilfe wird großteils von NGOs geführt, die schon länger in der Region tätig sind und hier etwa Ernährungszentren oder Landwirtschaftsprogramme laufen haben. Schnellhilfe geschieht parallel zu bereits bestehenden Programmen", so Rüther im pressetext-Interview.

Die im Moment überlebenswichtige Nothilfe werde länger als die üblichen drei Monate dauern, kündigt Rüther an. "Laut UNO ist ein Ende der Trockenheit erst im Oktober in Sicht. Hilfsorganisationen vor Ort fürchten aber, dass sie bis 2012 anhält." Die schwierige Aufgabe sei nun, das Medieninteresse und somit auch den Spendenfluss durch ständige Informationen so lange am Leben zu erhalten. "Die Lösung des Problems liegt aber in Somalia - kommen doch die Flüchtlinge von dort", zitiert Rüther Fafa Attidzah, den Leiter des Auffanglagers im kenianischen Dadaab.

Trümmerhaufen Somalia

Wie diese Lösung für Somalia aussehen soll, ist jedoch fraglich. Zwar hat die islamistische al-Schabaab-Miliz angesichts der Katastrophe zu Wochenbeginn erstmals nach Jahren das Verbot von Hilfsorganisationen aufgehoben. Jann Lay vom Hamburger GIGA-Institute of Global und Areal Studies http://www.giga-hamburg.de sieht gegenüber pressetext jedoch noch keine Perspektiven für das Land. "Bei einem Nicht-Staat wie Somalia, das politisch einem Trümmerhaufen gleicht, kann man schon logistisch kaum helfen."

(Ende)
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