Pressestatement von VÖB-Präsident Christian Brand zu Basel III
VÖB-Pressefrühstück am Donnerstag, 6. Dezember 2012
Brüssel (pts020/06.12.2012/12:00) Beim VÖB-Pressefrühstück in Brüssel äußerte sich VÖB-Präsident Christian Brand heute, am 6.12. 2012, wie folgt zu Basel III und Vorschlägen der EU-Kommission für eine Bankenunion:
Sehr geehrte Damen und Herren,
herzlich willkommen zu unserem Brüsseler Pressefrühstück. Wir freuen uns, dass Sie trotz des Nikolaustages, der ja in Belgien eine besondere Bedeutung hat, den Weg zu uns gefunden haben. Wir haben uns den Ablauf in diesem kleinen Kreis so vorgestellt, dass ich nach einer kurzen Einführung in die aus unserer Sicht wichtigsten EU-Themen für Ihre Fragen und das gemeinsame Gespräch zur Verfügung stehe.
Meine Damen und Herren, Brüssel und die EU-Bankenregulierung halten unsere Banken schon seit Jahren in Atem: Ich möchte hier gar nicht auf die komplizierten EU-Haushaltsverhandlungen, die Euro-Rettungsszenarien oder die Hilfsmaßnahmen für Griechenland und die anderen Euro-Krisenstaaten eingehen. Schon die reinen Bankenthemen beschäftigen uns sehr stark. Unter dem Arbeitstitel "Bankenunion" hat die EU-Kommission im September einen Stein ins Wasser geworfen, der noch weite Kreise ziehen wird.
Basel III/CRD IV
Lassen Sie mich aber zunächst auf die neuen Eigenkapitalregeln (Basel III) eingehen: Basel III ist in der Sache zweifellos richtig. Die neuen Regeln machen Banken weltweit krisenresistenter und damit sicherer. Sie machen aber, auch mit Blick auf einheitliche Wettbewerbsbedingungen, nur dann Sinn, wenn alle Staaten mitmachen. Mit Sorge blicken wir insofern auf die USA. EU und G20 sollten alles daran setzen, die USA bei der Implementierung von Basel III auf Linie zu bekommen. Eine weitere Schlappe wie bei Basel II, das in den USA zum Teil noch immer nicht angewendet wird, wollen und können wir uns nicht leisten. Das würde auch die Zukunft des Baseler Prozesses insgesamt in Frage stellen!
Eine Erstanwendung von Basel III in den EU-Staaten zum 1. Januar 2013, das ist wohl allen klar, ist absolut ausgeschlossen. Es ist gut, dass dies mittlerweile auch von offizieller Seite so gesehen und gesagt wird. Auch wenn nun der EU-Rechtssetzungsprozess der CRD IV - mit deutlicher Verspätung - hoffentlich kurz vor dem Abschluss ist, steht die Umsetzung in den Mitgliedstaaten noch aus. Insofern fordere ich ein klares Statement der EU, dass die Erstanwendung der neuen Eigenkapitalregeln auf den 1. Januar 2014 verschoben wird. Nur dann können die Banken weiter verlässlich planen.
Vorschläge der EU-Kommission für eine Bankenunion
Zentrale Bankenaufsicht
Meine Damen und Herren, die Überlegungen der EU-Kommission, alle rund 6200 Banken in der EU einer zentralen Aufsicht bei der EZB zu unterstellen geht deutlich zu weit. Die EZB wäre damit von Anfang an überfordert und das Projekt zum Scheitern verurteilt. Wir befürworten hingegen eine EU-Aufsicht über systemisch relevante Banken und solche, die EU-Hilfsgelder (von EFSF oder ESM) in Anspruch nehmen.
Für die Masse unserer rein national oder regional tätigen Banken muss aber weiterhin die alleinige Zuständigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden gelten. Das hat sich, auch in der Krise, bewährt. Mir hat noch niemand plausibel erklären können, wie eine zentrale Aufsichtsbehörde besser als BaFin und Bundesbank in der Lage sein soll, Schieflagen bei deutschen Regional- oder Lokalbanken zu erkennen. Und für die staatlich garantierten Förderbanken wäre eine Zentralaufsicht in Frankfurt ohnehin eine Farce.
Ungeachtet dieser grundsätzlichen Bedenken müssen vor der Übertragung weiterer Aufgaben auf die EZB weitere wichtige Fragen geklärt werden: Unklar ist zum einen, ob die von der Kommission favorisierte Rechtsgrundlage (Art 127 Abs.6 AEUV) tatsächlich trägt. Zudem droht bei einer Ansiedlung der Bankenaufsicht bei der EZB eine Vermischung von Aufsichtsmandat und Geldpolitik. Notfalls müssen hierfür die Verträge geändert werden.
Beim Zeitplan für die neue Aufsicht halte ich es mit der Bundesregierung: Sorgfalt und Qualität gehen vor Geschwindigkeit. Meine Prognose ist, dass das Projekt so schnell nicht an den Start gehen wird. Und auch 2014 erscheint mir angesichts der vielen ungelösten Probleme derzeit reichlich optimistisch.
Krisenmanagement
Meine Damen und Herren, ich komme nun zum Thema "Krisenmanagement". Aus deutscher Sicht ist der hinter diesem Vorhaben stehende Grundgedanke ja nicht neu, da wir unser nationales Restrukturierungsgesetz bereits seit gut zwei Jahren haben. Der Steuerzahler soll damit geschont, das gesamte Finanzsystem stabilisiert werden. Der deutsche Weg hatte insofern eine Vorbildfunktion für die Regulierungsüberlegung auf EU-Ebene.
Ohne zu sehr in Details zu gehen: Für problematisch halte ich die im Richtlinienvorschlag vorgesehenen Bail-in-Instrumente. Die meisten unserer Banken sind Anstalten des öffentlichen Rechts. Sie verfügen nicht über wandelbare Kapitalanteile und private Träger sind in den meisten Fällen vom Trägerkreis ausgeschlossen. Das von der Kommission angedachte Bail-in funktioniert daher in diesen Fällen nicht.
Problematisch ist zudem, dass die Kommission offenbar eine eigene europäische Behörde für die Bankenabwicklung schaffen will. Das lehnen wir ab. Nationale Aufseher können die komplexen Strukturen der Institute deutlich besser beurteilen. Sie können daher auch im Krisenfall schneller reagieren. Zur Diskussion steht auch, die Fonds für Einlagensicherung und Krisenmanagement zusammenzulegen. Beim Sparer verschärft dies den Eindruck, dass die Mittel für den Schutz seiner Spareinlagen auch für Zwecke der Bankenrettung genutzt werden. Hier stimmt die Zielrichtung nicht. Und auch der Aufwand für die Aufstellung von Abwicklungsplänen ist für kleine Banken viel zu hoch. Hier sollten nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit handhabbare Lösungen gefunden werden. Grundsätzlich sollten solche organisatorischen Fragen im Ermessen der Mitgliedstaaten stehen. In Deutschland gibt es für Einlagensicherung und Restrukturierung bereits unterschiedliche Fonds. Das sollte grundsätzlich auch in Zukunft möglich sein.
Sie werden zudem verstehen, dass ich die Herausnahme der staatlichen Förderbanken aus dem Abwicklungsfonds und der Abgabepflicht fordere. Förderbanken haben ein klar festgelegtes Mandat, das sie auf das naturgemäß wenig risikoträchtige Fördergeschäft beschränkt. Zudem bestehen staatliche Garantien oder vergleichbare Haftungsinstrumente. Die Schieflage einer Förderbank ist damit ausgeschlossen. Im deutschen Restrukturierungsgesetz sind diese Umstände bereits berücksichtigt. Die EU darf diese sachgerechte, die Besonderheiten der Förderbanken berücksichtigende Lösung nun nicht zurückdrehen.
Einlagensicherung
Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, diskutieren die Europäischen Institutionen seit Mitte 2010 intensiv über die weitere Reform der Einlagensicherung. Eine entsprechende Richtlinie ist verabschiedungsreif. Von deutlich weitergehenden Überlegungen, etwa einer einheitlichen EU-Einlagensicherung für alle Banken, halte ich daher gar nichts. Einlagensicherung muss weiterhin eine nationale Angelegenheit bleiben. Denn ich möchte mit meinem Geld nicht für Banken mithaften, die ich nicht kenne und deren Risiken ich in keiner Weise einschätzen kann. Eine solche Sozialisierung von Lasten ginge weit über jeden europäischen Solidaritätsgedanken hinaus. Dafür haben auch unsere Kunden kein Verständnis. Es ist insofern positiv, dass auch EZB-Präsident Draghi eine gemeinsame europäische Einlagensicherung mittlerweile als nicht zwingend ansieht. Und dabei sollte es auch bleiben.
Trennbankendiskussion
Die EU führt derzeit, maßgeblich auf Grundlage des Liikanen-Berichts, eine Diskussion über das Für und Wider von Trennbanken. Den Grundgedanken einer Aufspaltung von Banken in vermeintlich sichere und riskante Sparten, sehe ich durchaus kritisch. In Deutschland hat sich der Typus der Universalbank, der den Wünschen und Bedürfnissen unserer Kunden am besten gerecht wird, auch in der Finanzkrise bewährt. Und für einen grundlegenden Strukturwechsel sehe ich daher keinen sachlich begründeten Anlass.
Mir ist zudem kein historisches Vorbild bekannt, aus dem sich die geringere Krisenanfälligkeit von Trennbanken ableiten ließe. Gerade in den USA haben wir gesehen, dass die großen Probleme im September 2008 von den reinen Investmentbanken ausgingen. Ich rate hier also zu großer Vorsicht, zumal wir auch in Großbritannien sehen, wie man dort von sehr weitreichenden Vorstößen mittlerweile deutlich zurückrudert.
Banken müssen - bei aller Regulierung - auch in Zukunft in der Lage sein, ihre Kernaufgaben zu erfüllen. Dazu gehört, neben der Kreditversorgung, der umfassende Dienst am Kunden. Und der erwartet von einer Bank ein vollständiges Leistungsangebot, das auch das Investmentbanking mit einschließt. Insofern rate ich gleich zu Beginn dieser Diskussion zu großer Vorsicht und zu einer sehr genauen Abwägung vor allem der Risiken und Folgewirkungen eines solchen Konzepts.
Reform des EU-Beihilferechts
Lassen Sie mich zur Abrundung noch ein speziell aus Sicht der Förderbanken wichtiges Thema aufgreifen: Wie Sie sicher wissen, hat die EU-Kommission im Mai 2012 eine groß angelegte Reform des EU-Beihilferechts angekündigt. Dabei sollen praktisch alle EU-Beihilferegeln überarbeitet werden. Die Kernelemente der Reform sollen Ende 2013 in Kraft treten.
Wir stellen bereits seit Jahren fest, dass die Einhaltung der Beihilfevorschriften immer schwieriger wird. Das gilt auch für unsere Förderbanken, die aufgrund ihres staatlichen Förderauftrags ständig damit umgehen müssen. Aus Erfahrung wissen wir, dass jede Überarbeitung eine weitere Verkomplizierung der beihilferechtlichen Vorschriften bedeutet. Das war bereits 2005, bei der letzten groß angelegten Reform des Beihilferechts im Rahmen des "State aid action plan" der Fall.
Die Akzeptanz des EU-Beihilferechts wird durch verständliche, transparente Regeln und gut handhabbare Verfahren deutlich gesteigert. Allerdings ist die Anwendung der zahlreichen Regelungen, ihr Verständnis zueinander und zu nationalen Regelungen trotz der Reform von 2005 weiterhin schwierig. Wir haben erhebliche Probleme, unseren förderwilligen Kunden die komplizierten Vorschriften und Anforderungen zu vermitteln. Und deswegen plädiere ich im laufenden Prozess für praktisch wirksame Vereinfachungen. Ein ausreichendes Maß an Flexibilität und Kohärenz der Beihilferegeln ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, die im Gemeinschaftsinteresse stehenden Förderziele zu erreichen.
Die EU-Beihilferegeln sehen Freistellungsverordnungen und De-minimis-Verordnungen vor, die den Mitgliedstaaten Flexibilität geben. So kann sich die EU-Kommission auf große Fälle konzentrieren, die wirklich zu einer nachhaltigen Wettbewerbsbeeinträchtigung führen können. Das soll nach dem Willen der Kommission auch so bleiben. Aus meiner Sicht sollte die Kommission in der anstehenden Reform die Obergrenze für De-minimis-Beihilfen auf 500.000 EUR heraufsetzen. Gerade die De-minimis-Beihilfen ermöglichen es, schnell, unbürokratisch und flexibel auf vielfältige Formen des Marktversagens zu reagieren. Und unsere Erfahrungen aus der Finanz- und Wirtschaftskrise zeigen, dass auch ein höherer Schwellenbetrag nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Damit könnte sich die EU-Kommission tatsächlich auf Fälle konzentrieren, die im Binnenmarkt besonders schwerwiegende Wettbewerbsverzerrungen verursachen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich stehe nun für Ihre Fragen gern zur Verfügung.
Es gilt das gesprochene Wort!
Über den VÖB
Der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, ist ein Spitzenverband der deutschen Kreditwirtschaft. Er vertritt die Interessen von 62 Mitgliedern, darunter die Landesbanken sowie die Förderbanken des Bundes und der Länder. Die Mitgliedsinstitute des VÖB repräsentieren mit 1.991 Milliarden Euro knapp 24 Prozent der Bilanzsumme des deutschen Bankenmarktes (Geschäftsjahr 2011). Mit rund 80.000 Beschäftigten nehmen die öffentlichen Banken ihre Verantwortung für Mittelstand, Unternehmen, die öffentliche Hand und Privatkunden wahr und sind in allen Teilen Deutschlands fest in ihren Heimatregionen verwurzelt. Mit knapp 47 Prozent sind die VÖB-Mitgliedsbanken Marktführer bei der Kommunalfinanzierung und stellen zudem rund 24 Prozent aller Unternehmenskredite in Deutschland zur Verfügung.
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