pts20160923007 Medizin/Wellness, Forschung/Entwicklung

EFIC Symposium: Neue medikamentöse Strategien gegen den Gelenksschmerz

Zielgerichtete Therapien: Individualisierte Ansätze gefragt


EFIC Topical Symposium 2016
EFIC Topical Symposium 2016

Dubrovnik (pts007/23.09.2016/09:40) Gelenksschmerzen sind nach wie vor einer der Hauptgründe für bleibende Behinderung, unter anderem weil verfügbaren Schmerzmedikamente nicht immer die gewünschte Wirkung zeigen. Welche neuen Entwicklungen sich auf diesem Gebiet abzeichnen erörterte Prof. David Walsh von der Universität Nottingham (Großbritannien) bei einem Symposium der Europäischen Schmerzföderation EFIC in Dubrovnik, das sich mit akuten und chronischen Gelenksschmerzen auseinandersetzt.

"Aktuell ist die Forschung einer Reihe von interessanten Möglichkeiten auf der Spur. Die Entwicklung neuer Medikamente ist allerdings ein langwieriger Prozess. Am wahrscheinlichsten können wir damit rechnen, dass uns in absehbarer Zeit NGF-Blocker für die therapeutische Praxis zur Verfügung stehen, eine völlig neue Substanzklasse", so Prof. Walsh. NGF steht für "nerve growth factors" oder Wachstumsfaktoren.

Viele klinische Studien belegen inzwischen, dass sich die Blockade von Wachstumsfaktoren positiv bei Arthrosen, Rückenschmerzen und wahrscheinlich auch anderen Schmerzarten auswirken kann. Eine aktuelle Studie (Xu L, 2016), die unter Mitwirkung von Dr. Walsh entstanden ist, zeigt etwa im Tiermodell, dass eine Behandlung mit dem Anti-NFG Antikörper muMab911 das Schmerzgeschehen bei Arthrose abmildert, und das, obwohl Knorpelschäden und Synovitis nicht verhindert werden können. Die indirekten Effekte auf den subchondrale Knochenumbau könnten dieser Studie zufolge ebenfalls zur analgetische Wirkung der NGF-Blockade beitragen. Auch andere Substanzen, die sich noch in Entwicklung befinden und auf die NGF-Übertragung wirken, dürften bei Arthroseschmerzen wirksam sein (Nwosu 2015; Ashraf 2016).

Zielgerichtete Therapie

Ein Forschungsansatz versucht, die Mechanismen des Schmerzes und der Schmerzübertragung zu identifizieren und diese auszuschalten - allerdings nur an den richtigen Stellen. "Ohne Schmerz als Warnsignal wären wir ständig gefährdet, uns zu verletzen, daher kann nicht das Schmerzempfinden als Ganzes vermieden werden", so Prof. Walsh. Er konnte zusammen mit Prof. Wood und Kollegen in London Proteine identifizieren, die wie Drucksensoren von Nerven im Gelenk funktionieren und eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Arthrose-Schmerzen in Bewegung oder in Ruhe spielen.

Patienten in Subgruppen einteilen

"Um Menschen mit Gelenksschmerzen besser helfen zu können, müssten wir verstehen, dass wir alle unterschiedlich sind, das gilt auch für die Reaktion auf Therapien: Es gibt Responder, bei denen ein bestimmtes Analgetikum gut funktioniert, und Non-Responder, die ganz andere Medikamente brauchen", sagt Prof. Walsh. Wie man Patienten nach Schmerzart und dahinterstehendem Schmerzmechanismus am besten clustern kann, wird derzeit viel untersucht.

"Der Vorteil dieses Zugangs ist: Man kann den Betroffenen eine massive Erleichterung anbieten, deren Nutzen die Nebenwirkungen überwiegt. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass etliche Medikamente, denen in der Vergangenheit fehlende Wirksamkeit attestiert wurde, für bestimmte Schmerzpatienten durchaus funktioniert hätten - doch diese Responder gingen statistisch unter in der großen Zahl der Menschen, die nicht von der Therapie profitierten oder deren Schmerzen sogar schlechter wurden. Könnten wir die Gruppe von Menschen identifizieren, für die eine bestimmte Behandlung funktioniert, ließen sich rasch neue, effektive Behandlungsmöglichkeiten für sie finden", unterstrich Prof. Walsh.

Bewährte Behandlungen, neue Einsatzmöglichkeiten

Ein weiteres Zukunftsfeld für die Schmerzbehandlung sieht der Experte daher in der Identifikation von Therapien aus anderen Indikationsbereichen, deren analgetischer Nutzen noch nicht oder nicht ausreichend bekannt war. Typisch für Arthrose ist beispielsweise nozizeptiver, durch mechanische Reize ausgelöster Schmerz. Wenn gängige Analgetika nicht greifen, können in manchen Fällen wider Erwarten auch Medikamente gegen neuropathischen Schmerz helfen. Ein anderes Beispiel könnten Beta-Blocker sein, die seit Jahrzehnten gegen Bluthochdruck verschrieben werden. Inzwischen stellt sich immer mehr heraus, dass sie bei manchen Menschen auch die Schmerzübertragung beeinflussen.

Auch nichtmedikamentöse Behandlungsansätze sollten neu betrachtet und erprobt werden: "Körperliches Training oder psychologische Interventionen können unter Umständen anders als bisher und zielgerichtet für spezielle Personengruppen eingesetzt werden. Auch hier müssen jene herausgefiltert werden, die von bestimmten psychologischen Techniken oder definierten Bewegungsprogrammen profitieren können."

Bis zu einem bestimmten Grad lassen sich etwa Patienten vorhersehen, die nach dem Einsetzen einer Knie-Prothese unter starken Schmerzen leiden werden. Einer der Prädiktoren für postoperative Probleme ist unbehandelte Depression. Das kann unter anderem damit zusammenhängen, dass bei manchen Menschen jene Gehirnmechanismen, die bei Depression aktiv sind, mit jenen überlappen, die bei Schmerzprozessen zum Tragen kommen. "Es zahlt sich daher aus, der Frage nachzugehen, ob Antidepressiva und kognitive Verhaltenstherapie auch in manchen Fällen gegen Schmerzen nach Gelenksoperationen helfen könnten", so Prof. Walsh.

EFIC hat 2016 zum "Europäischen Jahr gegen Gelenksschmerzen" erklärt. Ziel dieser Informationskampagne ist es, ein Gesundheitsproblem in den Mittelpunkt zu stellen, unter dem weltweit mehr als die Hälfte der Bevölkerung über 50 Jahren zu leiden hat. Vor diesem Hintergrund werden auf dem Symposium in Dubrovnik die zahlreichen aktuellen Entwicklungen zum Verständnis und der Behandlung von durch Gelenkserkrankungen verursachte Schmerzen diskutiert.

Quellen: Xu L et al: The anti-NGF antibody muMab 911 both prevents and reverses pain behaviour and subchondral osteoclast numbers in a rat model of osteoarthritis pain, Osteoarthritis Cartilage. 2016 Sep;24(9):1587-95. doi: 10.1016/j.joca.2016.05.015. Epub 2016 May 18; Ashraf, S, Bouhana, KS, Pheneger, J, Andrews, SW, Walsh, DA. Selective inhibition of tropomyosin-receptor-kinase A (TrkA) reduces pain and joint damage in two rat models of inflammatory arthritis. Arthritis Res. Ther. (in press, April 2016); Nwosu, L, Mapp, PI, Chapman, V, Walsh, DA. Blocking the Tropomyosin receptor kinase A (TrkA) receptor inhibits pain behaviour in two rat models of osteoarthritis. Ann. Rheum. Dis. (in press). DOI-2014-207203.

(Ende)
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