Neuer Kommentar: Deutsche Kardiologen und Herzchirurgen wollen gemeinsam die Herzklappen-Therapie optimieren
DGK-Jahrestagung vom 4. bis 7. April in Mannheim
Mannheim (pts024/05.04.2018/10:10) Ein neuer gemeinsamer Kommentar der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz-, und Gefäßchirurgie (DGTHG) zur Neufassung der europäischen TAVI-Leitlinie (Katheter-gestützter Aortenklappen-Ersatz) zum Management von Herzklappenfehlern schafft die Voraussetzungen dafür, dass es zu einem optimalen Einsatz von TAVI und offener Herzoperation bei schwerer Verengung der Aortenklappe (Aortenstenose) kommt. Das berichtet Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck (Hamburg) anlässlich der 84. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie vom 4. bis 7. April in Mannheim, bei der 8.500 aktive Besucher erwartet werden.
Es sei zu hoffen, dass diese gemeinsame Stellungnahme, vertreten durch Prof. Dr. Helmut Baumgartner (Kardiologe, Münster) und Prof. Dr. Volkmar Falk (Herzchirurg, Berlin) "zu allgemeiner Akzeptanz beim Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), den Krankenkassen und den regionalen Medizinischen Diensten der Krankenkassen führt, damit die für den Patienten beste Entscheidung durch das Heart Team unbürokratisch umgesetzt werden kann", so Prof. Kuck. "Die gemeinsame Publikation ist vor allem in Anbetracht des Spannungsfeldes 'Katheter-gestützte Verfahren gegen offene Chirurgie' besonders wichtig. Der Kommentar löst die mittlerweile fast zehn Jahre zurück liegende Erklärung des GBA zum Thema TAVI ab und berücksichtigt die inzwischen entwickelte bessere Studienlage."
Heart Teams und den Herzklappenzentren
In Übereinstimmung mit der europäischen Leitlinie ist ein Abschnitt dem Konzept des Heart Teams und den Herzklappenzentren gewidmet. Ein multidisziplinäres Team aus entsprechend spezialisierten Kardiologen (invasiv und nichtinvasiv), Herzchirurgen und Anästhesisten, ergänzt durch weitere kardiovaskuläre Spezialisten (Herzinsuffizienz, Rhythmologie), Radiologen, Geriater, Intensivmediziner und andere internistische Disziplinen ist erforderlich, um eine optimale Behandlung zu ermöglichen. Neben dem Vorhalten entsprechender Spezialisten und technischer Ausstattung sowie ausreichender Kompetenz in der Durchführung der verschiedenen Eingriffe wird von den Zentren eine entsprechende transparente Ergebnisdokumentation und -kontrolle gefordert. In Deutschland ist dies über die gesetzlichen Vorgaben, Richtlinien im Gesundheitssystem und die Qualitätssicherung durch das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) bereits realisiert.
Asymptomatische Aortenstenose
Bei Aortenklappen-Verengung ohne wesentliche Symptomatik wird lediglich der offene chirurgische Klappenersatz als Therapieoption angeführt. Hintergrund dieser Empfehlung ist, dass diese Patienten mit in der Regel niedrigem Operationsrisiko in TAVI-Studien bisher nicht eingeschlossen wurden. Zumeist handelt es sich um jüngere Patienten, die nicht dem Kollektiv angehören, bei dem aktuell eine TAVI erwogen wird. Randomisierte Studien zur TAVI bei asymptomatischen Patienten werden derzeit durchgeführt.
Symptomatische Aortenstenose
Aufgrund der neuen Datenlage, basierend unter anderem auf fünf randomisierten Studien, kam es bei der symptomatischen Aortenstenose zu einer Anpassung der Empfehlungen. Die TAVI sei bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko (sowohl intermediäres (STS 4) wie hohem Risiko (STS ) hinsichtlich der Sterblichkeit dem chirurgischen Klappenersatz nicht unterlegen und bei Möglichkeit eines transfemoralen (durch die Leistenarterie) Vorgehens eventuell überlegen. Bezüglich zerebrovaskulärer Ereignisse und Myokardinfarkt besteht ebenso kein eindeutiger Unterschied.
Eine eindeutige Empfehlung wird derzeit bloß für zwei Gruppen gegeben: Patienten, die auf Basis einer Entscheidung im Heart Team für eine Operation nicht in Frage kommen, sollten mit TAVI behandelt werden: Vorausgesetzt, dass nicht wegen schwerer Komorbiditäten eine Verbesserung von Lebensqualität und Lebenserwartung unwahrscheinlich ist (IB). Und Patienten mit niedrigem Risiko (definiert als STS-Score und EuroSCORE II <4% oder log. EuroSCORE <10%) sowie dem Fehlen anderer Risikofaktoren, die in den Scores nicht berücksichtigt werden (z. B. Gebrechlichkeit, Porzellanaorta, Strahlenschäden), sollten einen offenen chirurgischen Klappenersatz erhalten (IB), für den exzellente Kurz- und Langzeitdaten in Beobachtungsstudien vorliegen.
Bei allen anderen Patienten (STS-Score und EuroSCORE II ?4% oder log. EuroSCORE ?10% oder andere Risikofaktoren) sollte die Entscheidung auf der Basis individueller Patientencharakteristika und einer sorgfältigen Abwägung von Risiko und Nutzen beider Therapieoptionen sowie lokaler Expertise und Ergebnisdaten getroffen werden. "Bei älteren Patienten ist TAVI zu begünstigen, wenn ein transfemoraler Zugang möglich ist", so Prof. Kuck. "Die persönliche Inaugenscheinnahme des Patienten durch alle Mitglieder des Heart Teams ist von herausragender Bedeutung und kann nicht durch einzelne Befunde oder Scores ersetzt werden."
Abweichungen des deutschen Kommentars von den ESC-Leitlinien
Von der Europäischen Leitlinie unterscheidet sich der Deutsche Kommentar in den folgenden Punkten:
* Nach deutscher Sichtweise ist bei Patienten über 85 Jahren TAVI in der Regel der Vorzug zu geben. Denn bei sehr hohem Alter bekommt die rasche Mobilisierbarkeit und kurze Erholungszeit nach TAVI besonderes Gewicht.
* In der europäischen Leitlinie wird der Wunsch des Patienten, wenn beide Therapien gleichermassen in Betracht kommen, nicht berücksichtigt. Wenn nach Ansicht des Heart Teams Leitlinien-gemäß beide Methoden gleichermaßen in Betracht kommen, so treffen Patient und Heart Team unter Abwägung aller Risiken gemeinsam eine Auswahlentscheidung, wobei der Wille des informierten und umfassend aufgeklärten Patienten maßgebend ist. Das Heart Team hat dem Patienten in diesem Fall einen konkreten Vorschlag zu machen.
* Die Leitlinie der ESC/EACTS und auch der deutsche Kommentar empfehlen weiterhin, dass die Durchführung einer TAVI auf Zentren beschränkt bleiben soll, die sowohl über eine kardiologische als auch über eine herzchirurgische Fachabteilung sowie über eine strukturierte Zusammenarbeit zwischen den beiden Abteilungen verfügen. Es ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Standorte in Deutschland, die TAVI durchführen, die strukturellen Anforderungen der in der Leitlinie formulierten Zentrumsdefinition und die qualitativen Anforderungen des DGK-Positionspapiers erfüllen. Die exzellente Ergebnisqualität der TAVI (bis 30 Tage postprozedural), die im jährlichen IQTIG-Report analysiert und veröffentlicht wird, bestätigen diesen Standpunkt. Für Deutschland bestimmt die Vorgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über eine Richtlinie zu minimalinvasiven Herzklappeninterventionen vom 24.7.2015 die strukturellen Voraussetzungen für ein TAVI Zentrum.
Gründe im Sinne der ESC/EACTS-Leitlinie aktuell an einer herzchirurgischen Fachabteilung vor Ort festzuhalten sind gemäß Expertenkonsens:
* Zur Gewährleistung der maximalen Sicherheit des Patienten kann insbesondere angesichts der Ausweitung der Indikation für TAVI auf Patienten mit "intermediärem" Risiko im Falle von Komplikationen (einschließlich der Notwendigkeit einer Konversion zu einer offenen Herzoperation) eine Behandlung auf höchstem Standard nur mit einer herzchirurgischen Fachabteilung vor Ort gewährleistet werden. Auch wenn die Komplikationsrate insgesamt bei TAVI stark abgenommen hat und die Notwendigkeit zu einer herzchirurgischen Konversion selten geworden ist (laut IQTIG Bundesauswertung 2016: 0,51%).
* Der Entscheidungsprozess über die richtige Therapie ist sehr komplex geworden. Das erfordert eine intensive Zusammenarbeit des Heart Teams im TAVI-Zentrum, die mit der notwendigen Qualität und Sicherheit idealer Weise in einer Struktur mit kardiologischer und herzchirurgischer Fachabteilung vor Ort gewährleistet werden kann. Dies schließt in keiner Weise aus, dass - wie in Deutschland nicht ungewöhnlich - externe kardiologische Zentren als kooperierende Zuweiser unter Umständen bereits weitreichende, Leitlinien-orientierte Voruntersuchungen durchführen, wenn die Qualitätsstandards mit dem TAVI-Zentrum im Detail abgesprochen sind.
Ergebnisse hängen auch von den Fallzahlen ab
"Für die Versorgungsstrukturen ist auch zu berücksichtigen, dass in verschiedenen retrospektiven Analysen gezeigt wurde, dass die Ergebnisse für TAVI - wie auch für andere interventionelle und chirurgische Eingriffe - Fallzahl-abhängig sind", so Prof. Kuck. "Ein Positionspapier der DGK hat eine Mindestzahl von 50 TAVIs pro Jahr pro Zentrum empfohlen. Die Europäische Leitlinien hat noch keine Empfehlung für Mindestfallzahlen angegeben. Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass sowohl für offene chirurgische als auch für Katheter-gestützte Verfahren ein Zusammenhang zwischen Volumen und Ergebnisqualität sowohl für den einzelnen Untersucher als auch für das Zentrum besteht."
Quelle:
Kommentar zur ESC/EACTS-Leitlinie von 2017 zum Management von Herzklappenfehlern: H. Baumgartner, H. Eggebrecht, C. Hamm, M. Haude, H. Ince, K.-H. Kuck (im Auftrag des Vorstands der DGK); J. Cremer; A. Diegeler, A. Welz, F. Beyerdsdorf, T. Walther, V. Falk (im Auftrag des Vorstands der DGTHG) Der Kardiologe in press
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