pte20241204001 Forschung/Entwicklung, Medizin/Wellness

Tiefenstimulation: Gelähmte lernen zu gehen

Schweizer Wissenschaftlern gelingt Teilgenesung von Patienten mit einer Rückenmarksverletzung


Operation: So werden die Elektroden im Gehirn zielgenau platziert (Illustration: epfl.ch)
Operation: So werden die Elektroden im Gehirn zielgenau platziert (Illustration: epfl.ch)

Lausanne (pte001/04.12.2024/06:00)

Zwei Menschen mit Verletzungen des Rückenmarks, die zu einer Lähmung der Beine geführt haben, konnten Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) und des dortigen Universitätskrankenhauses sowie des Forschungszentrums NeuroRestore soweit wiederherstellen, dass sie ihr Gehvermögen zurückerlangten - auch wenn dieses eingeschränkt ist.

Insperation durch Mäuse

Das Kunststück ist den Experten mittels Tiefenstimulation des Hypothalamus gelungen - eine Region des Gehirns, von der bisher angenommen wurde, dass sie mit dieser Erkrankung nichts zu tun hat. Auf die Idee kamen Grégoire Courtine und Jocelyne Bloch nach Experimenten mit Mäusen. Dabei stellten sie fest, dass der Hypothalamus durchaus etwas mit der Wiederherstellung des Gehvermögens nach einer Rückenmarkverletzung zu tun hat.

Der 54-jährige Wolfgang Jäger aus Kappel in Österreich saß seit 2006 im Rollstuhl, nachdem er sich bei einem Skiunfall eine Rückenmarksverletzung zugezogen hatte. Er nahm an der klinischen Studie der beiden Neurowissenschaftler in Lausanne teil. Dabei konnte er erleben, wie die Tiefenhirnstimulation seine Mobilität und Unabhängigkeit teilweise wiederherstellte.

"In meinem letzten Urlaub war es dank der Stimulation kein Problem, ein paar Stufen hinunter zum Meer und zurück zu gehen", beschreibt Jäger die neu gewonnene Freiheit, die ihm die Stimulation ermöglicht hat. Über das Gehen hinaus hat die Therapie ihm auch alltägliche Aufgaben erleichtert: "Ich kann jetzt auch Dinge in meinen Küchenschränken erreichen."

Neurochirurgische Technik

Die Tiefenhirnstimulation (THS) ist eine etablierte neurochirurgische Technik, bei der Elektroden in bestimmte Hirnregionen implantiert werden, um neuronale Aktivität anzuregen. Traditionell wird die THS zur Behandlung von Bewegungsstörungen wie Parkinson und bei essentiellem Tremor eingesetzt, indem sie auf Bereiche des Gehirns abzielt, die für die motorische Kontrolle verantwortlich sind. Die THS-Anwendung auf den lateralen Hypothalamus zur Behandlung von Teillähmungen ist jedoch ein neuartiger Ansatz.

Die Patienten blieben auch mobiler, nachdem die THS beendet worden war. Das deutet laut den Experten darauf hin, dass die Therapie eine Reorganisation der verbliebenen Nervenfasern fördert, die zu anhaltenden neurologischen Verbesserungen beiträgt. "Man kann eine kleine Region des Gehirns anzapfen, von der nicht bekannt war, dass sie an der Produktion des Gehens beteiligt ist, um die neurologische Erholung bei Menschen mit Rückenmarksverletzungen zu fördern", sagt Courtine.

"Nachdem die Elektrode platziert war und wir die Stimulation durchgeführt hatten, sagte die erste Patientin sofort: 'Ich spüre meine Beine'. Als wir die Stimulation verstärkten, sagte sie: 'Ich verspüre den Drang zu gehen'. Dieses Echtzeit-Feedback bestätigt, dass wir die richtige Region ins Visier genommen haben", unterstreicht Bloch.

(Ende)
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