Was sich jene, die im Schatten leben, jetzt von der Sozialpolitik Wiens wünschen
Social Prescribing zeigt auf, wo es beim Zugang zu medizinischer und sozialer Hilfe in Wien hapert
Wien (pts005/25.11.2022/07:40)
Seit einigen Monaten gibt es in der Ambulanzpraxis des Primärversorgungszentrum Donaustadt auch eine eigene Sozialarbeiterin, die als sogenannte Link-Workerin für Social Prescribing zuständig ist. "Das bedeutet ganz einfach, dass sich ab sofort eine Mitarbeiterin unserer Praxis ganz besonders um jene kümmert, die nur schwer Zugang zu den sozialmedizinischen Angeboten der Stadt Wien finden", so Dr. Regina Ewald, leitende Ärztin des PHC-Zentrums Donaustadt, vis-à-vis des Donauspitals. Ein Interview mit der Link-Workerin Elke Garschall, die erst seit wenigen Wochen im Einsatz ist, zeigt, wo dringend nachgebessert werden sollte, um, im wahrsten Sinn des Wortes, Gleichbehandlung aller Wiener:innen zu erreichen. https://www.phc-donaustadt.at/
Die Zeiten sind für alle hart – für einige Menschen in Wien aber ganz besonders
Frage: Frau Garschall, Sie sind Sozialarbeiterin und als Link-Workerin im Primärversorgungszentrum Donaustadt im Einsatz. Gab es in den ersten paar Wochen ihrer Tätigkeit schon Erlebnisse, die zeigen, wie notwendig Sozialarbeit ist, um Menschen den Zugang zu sozialmedizinischen Angeboten in Wien zu gewährleisten?
Elke Garschall: Ja, absolut. Es zeigt sich bereits jetzt, wie wichtig es ist, als Vermittlerin oder auch als Übersetzerin zu fungieren – und zwar hauptsächlich vom Amts- oder Formulardeutsch in verständliche Sprache, damit nicht ein simples Formular zu einer unüberwindbaren Hürde wird. Ich höre immer wieder den Satz "Die Krankenkasse/das Amt verlangt so viel von mir." Viele sind mit der Kommunikation und mit Behördenwegen überfordert und nutzen deshalb die Unterstützung nicht. Hier versuche ich, aktiv Hilfestellung zu leisten, Türen zu öffnen und Wege zu ebnen, um vorhandene Angebote zugänglich zu machen. Genau das ist auch die Idee von Social Prescribing: Man versucht zu eruieren, was notwendig ist und was die Patient:innen brauchen und beantwortet in einem zweiten Schritt die Frage, wie die benötigte Unterstützung in unserem Gesundheitssystem organisiert werden kann.
Frage: Bemerken Sie eine Zunahme sozialer Probleme?
Elke Garschall: Natürlich. Es gibt genug Leute, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selbst kochen können und überlegen müssen: "Kann ich mir Essen auf Rädern finanzieren? Oder kann ich mir beim Wirt ums Eck einmal pro Tag ein warmes Essen holen? Oder muss ich mir meine Mahlzeiten irgendwo anders organisieren?" Viele Personen, die in oberen Stockwerken ohne Aufzug leben und nicht mehr selbstständig hinauf und hinunter gehen können, sind auch auf die Betreuung durch Nachbarn und Familienmitglieder angewiesen. In solchen Fällen muss man ganz genau hinschauen und sehr aufmerksam sein, zum Glück erfahre ich dahingehend auch viel von den Kolleg:innen, die mit den einzelnen Patient:innen in engem, regelmäßigen Kontakt stehen. Aus diesem Grund ist auch die Initiative von Dr. Ewald für mehr Hausbesuche bei Patient:innen so wichtig: Ich begleite die Hausbesuchsteams oft als stille Beobachterin und erkenne sofort, wenn Bedarf besteht und biete möglichst diskret meine Unterstützung an. Hilfe anzunehmen, ist immer noch mit Scham verbunden, hier muss man dann sehr sensibel vorgehen.
Frage: Social Prescribing versucht ja, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Bisher ist mal als hilfesuchende Person zum Amt gekommen, quasi als "Bittsteller:in". Sie als Link-Workerin versuchen, bereits vorher zu intervenieren und selbst Hilfe anzubieten. Stimmt das?
Elke Garschall: Ja, ich bin präsent und sage: "Da ist jemand, die:der für dich da ist, die:der berät." Bisher musste man sich an den Fonds Soziales Wien wenden, wo als erstes keine Sozialarbeiterin auf den Plan tritt, sondern eine Case-Managerin vorbeikommt. Das schreckt viele ab, sodass sie von vornherein Unterstützung abgelehnt haben.
Frage: Und wie läuft es bei Ihnen ab?
Elke Garschall: Ich habe bei meinem Dienstantritt zuerst einmal alle Mitarbeiter:innen im Primärversorgungszentrum informiert und sensibilisiert: "Hallo, jetzt ist eine Sozialarbeiterin im Haus." Dem Team ist bewusst, dass sie es sind, die direkten Kontakt zu den Patient:innen haben und genauer hinsehen müssen, wenn etwas nicht zu stimmen scheint: Zum Beispiel ist die:der Patient:in abgemagert oder hat nur dünne Kleidung an – vor allem jetzt, wo der Winter kommt – oder Ähnliches. Ist dies der Fall, informieren mich meine Kolleg:innen und ich komme selbst auf die betroffenen Personen zu, sodass wir die anfängliche Hürde so gering wie möglich halten können.
Frage: Das geht bei Hausbesuchen natürlich umso leichter. Man kommt herein und bemerkt sofort, wenn etwas nicht stimmt: Ob Messie-Wohnung, unbeheizte Wohnung oder anderes.
Elke Garschall: Genau und mittlerweile sagen auch die Ärzt:innen und Pfleger:innen zu mir: "Ich hätte da jemanden für dich, ruf mal an oder geh vorbei und sieh nach dem Rechten." Bei offensichtlich dementen Personen rufe ich natürlich öfter mal die Verwandten an und frage konkret nach, ob die kontinuierliche Betreuung auch funktioniert. Dann bleibe ich aber auch längerfristig dran und frag alle ein bis zwei Wochen nach, was sich getan hat und wie es der Person geht. Kommt die Familie alleine klar oder muss ich weiter beobachten, aktiver werden und mehr Zeit investieren? Sich kümmern – das ist das Konzept von Social Prescribing.
Danke für das Interview!
Kontakt:
Primärversorgung Donaustadt
1220 Wien, Zschokkegasse 140/33, an der U2-Station "Donauspital"
Tel.: 01 34 30 132 oder Fax: 01 34 30 132 99
E-Mail: ordination@phc-donaustadt.at
Homepage: https://www.phc-donaustadt.at/
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Mo., Mi., Do., Fr. 8-19 Uhr
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Sa. 8-13 Uhr
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(Ende)Aussender: | Dr. Regina EWALD & Partner Gruppenpraxis für Allgemeinmedizin OG |
Ansprechpartner: | Regina Ewald |
Tel.: | +43 664 512 44 65 |
E-Mail: | Dr.EWALD.Regina@gmx.at |
Website: | www.phc-donaustadt.at |