pts20070302037 Politik/Recht, Unternehmen/Wirtschaft

Das Budget steht, die Perspektive fehlt

Wenig Facharbeitermangel, zuviel Frühpension, höhere Lohnnebenkosten


Wien (pts037/02.03.2007/14:25) Der Österreichische Gewerbeverein (ÖGV) vermisst den angekündigten, großen Wurf. Finanzminister Molterer hat schnell, verdächtig schnell (?), verhandelt. Die Einsparungen, zu welchen sich der Bund zwingt, sind geradezu lächerlich gering. Die Energie der letzten Jahre scheint verpufft. Während andere EU-Länder eine strategische Wirtschaftspolitik im nationalen Konsens, quer über alle ideologischen Differenzen schaffen, sonnt sich eine tiefgespaltene Bundesregierung am 50sten Tag ihres Bestehens in kurzsichtiger Klientelpolitik. Die Antworten auf brennende Themen, wie Facharbeitermangel, Frühpensionierungen und Lohnnebenkosten, um bloß die aktuellsten zu nennen, könnten nicht weiter auseinanderklaffen, eine strategische Ausrichtung der bundesstaatlichen Wirtschaftspolitik fehlt gänzlich.

Einige Branchen suchen verzweifelt Fachkräfte. Das sind bei Leibe nicht nur die diskutierten Schweißer, Dreher, Fräser oder auch Pfleger, es gibt Branchen, wie zB die Baustoffhersteller, die unter einem europaweiten Engpass leiden. Ein Laie könnte sich die so vernichtete Wertschöpfung ausrechnen, aber offenbar nur dieser. Eine Öffnung der Ostgrenzen für Facharbeiter ist sicherlich kein Allheilmittel, es würde allerdings mithelfen, Betriebe vor gröberen Problemen zu bewahren.

Der ÖGV sieht aber auch, dass es grobe Versäumnisse in der Ausbildung gibt. Die andiskutierten Flexibiliserungen der Lehrlingsausbildung kommt spät, aber sie kommt. Dies wird mittelfristig dazu beitragen, wieder mehr qualifizierte Facharbeiter auszubilden. Diese in Crashkursen ruck-zuck umzuschulen, zeigt wiederum ein äußerst sonderbares Verständnis von Arbeit und Wirtschaft auf. Eventuell legt der Bundeskanzler hier einmal eine Schnupperwoche in einem betroffenen Betrieb ein: der ÖGV vermittelt gerne, denn diese Nachhilfe wäre sicherlich lehrreich.

Der Sozialminister hatte kurz gewagt mit der Erkenntnis vorzupreschen, dass die Österreicher länger leben und zeigte sich darin konsequent, ein Pensionsalter von 67 Jahren anzudenken. Dabei gleichzeitig die Zugangshindernisse zur Frühpension zu streichen, ist Klientelpolitik der alten Schule, die weder die finanziellen Notwendigkeiten der Kassen berücksichtigt, noch dem Aspekt, dass ältere Arbeitnehmer höchst qualifizierte Wissensträger und damit Stützen der Unternehmen sind, Rechnung trägt. Hier ist eine Diskussion, die ältere Arbeitnehmer wieder leistbar machen - im Interesse beider Seiten - dringend zu beginnen.

Der Gesundheitsministerin fällt wiederum auch nichts Gewichtigeres zur Sicherung des Gesundheitssystems ein, als eine Erhöhung der Beiträge um 0,18 Prozent. Daraus lässt sich nur ableiten, dass das weltweit beste Gesundheitssystem wesentlich kranker sein muss, als berichtet. Wenn nun eine Verteuerung - wieder zu Lasten des Faktors Arbeitskraft - das Einzige ist, das dieser Bundesregierung einfällt, ist das traurig genug, dass diese aber gerade die kleinen Unternehmen hart trifft, liegt höheren Orts beständig unter der Wahrnehmungsschwelle.

Die Politik möchte weniger Arbeitslose und mehr Facharbeiter (er-)schaffen. Sie missachtet dabei aber komplett, dass das größte Potential in dieser Frage von den kleinen und mittleren Betrieben ausgeht: nur diese sind ob ihrer Masse in der Lage mehr Arbeitnehmer aufzunehmen und auszubilden. Gleichzeitig werden aber genau dieser großen Gruppe, die größten fiskalischen und gesetzlichen Hürden aufgezwungen, statt eine Entlastung auch nur zu versuchen. Der ÖGV hat sich von dieser Bundesregierung nicht viel, aber doch viel mehr erwartet.

(Ende)
Aussender: Österreichischer Gewerbeverein
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