TKG-Novelle als Schritt zum Überwachungsstaat Österreich?
e-center hat schwere Bedenken gegen Umsetzung der Data-Retention-RL
Wien (pts009/22.05.2007/09:20) Wien (e-center) - Im März vergangenen Jahres wurde unter dem Eindruck der Terroranschläge von London und Madrid die sogenannte "Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie" beschlossen. Im Rahmen der Umsetzung dieser Richtlinie müssen die EU-Mitgliedstaaten Netzbetreiber und Access Provider dazu verpflichten, in den Bereichen Mobilfunk, Festnetztelefonie, E-Mail und VoIP (Internettelefonie) flächendeckend und verdachtsunabhängig sechs Monate lang zu speichern, wer wann mit wem und von welchem Ort aus kommuniziert. Experten des europäischen zentrums für e-commerce und internetrecht (http://www.e-center.eu) fordern den österreichischen Gesetzgeber auf, bei der Umsetzung der Richtlinie die Grundrechte der Bürger möglichst zu schonen.
Ursprüngliches Ziel war die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität. Die Richtlinie sieht in diesem Zusammenhang lediglich vor, dass die Vorratsdatenspeicherung zur Ermittlung, Feststellung und Verfolgung "schwerer Straftaten" erfolgen soll.
Es liegt nun der österreichische Entwurf zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie vor. Dieser novelliert das Telekommunikationsgesetz (TKG), wobei vorerst vor allem jene Teile der Richtlinie umgesetzt werden sollen, die den Mobilfunk und die Festnetztelefonie betreffen. Bis 2009 soll die Richtlinie dann auch in Bezug auf die Kommunikation via Internet umgesetzt werden.
Im Rahmen dieses Umsetzungsverfahrens hat sich das e-center (europäisches zentrum für e-commerce und internetrecht) in Form einer Stellungnahme an das BMVIT (abrufbar unter www.e-center.eu) geäußert. Als bedenklich qualifiziert das e-center nicht nur die Richtlinie an sich, sondern insbesondere die in Österreich geplante Umsetzung.
Der Entwurf des Ministeriums ist in mehrfacher Hinsicht problematisch: Zum einen definiert er "schwere Straftaten", zu deren Verfolgung die Vorratsdatenspeicherung erfolgen soll, als gerichtlich strafbare Handlungen, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind. Bemerkenswert ist, dass hiervon grundsätzlich auch Fahrlässigkeitsdelikte erfasst sind und die Auswertung der Daten keinem allgemeinen Richtervorbehalt unterliegt. Zum anderen enthält der Entwurf keinerlei Regelung über die Tragung der durch die Vorratsdatenspeicherung entstehenden Kosten. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den vom Verfassungsgerichtshof entwickelten Grundsätzen der Kostentragung im Zusammenhang mit der Überwachung der Telekommunikation.
Die Richtlinie selbst könnte durchaus vom EuGH aus kompetenzrechtlichen Gründen für nichtig erklärt werden - derzeit ist eine entsprechende Klage Irlands anhängig. Eine derartige flächendeckende verdachtsunabhängige Überwachung der gesamten Bevölkerung stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf Privatsphäre im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention dar. Ein solcher Eingriff kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn die gewählte Maßnahme überhaupt geeignet ist, dem öffentlichen Interesse der Verfolgung von "schweren Straftaten" zu dienen. Tatsächlich gibt es jedoch zahlreiche Möglichkeiten die Vorratsdatenspeicherung zu umgehen, z. B. durch die Verwendung von Wertkarten-Handys. Mitglieder krimineller bzw. terroristischer Organisationen werden sich der Vorratsdatenspeicherung daher leicht entziehen können, weshalb tatsächlich nur jene Personen von der Überwachung betroffen sein werden, die eigentlich gar nicht Ziel der Überwachung sind.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vorratsdatenspeicherung ein beträchtliches Eingriffspotenzial aufweist, das aus grundrechtlichen Erwägungen höchst problematisch ist. Der österreichische Gesetzgeber sollte daher bei der Umsetzung der Richtlinie mit großer Zurückhaltung verfahren.
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