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Mittelamerika ist kriminellste Region der Welt

UN-Bericht: "Unsicherheit lähmt die Entwicklung der Staaten"


Die Staaten Mittelamerikas sind immer noch Bananenrepubliken (Foto: pixelio.de/Schmidt)
Die Staaten Mittelamerikas sind immer noch Bananenrepubliken (Foto: pixelio.de/Schmidt)

Guatemala-Stadt (pte009/24.10.2009/13:25) Mittelamerika wird in seiner Entwicklung von einem hohen Unsicherheitsgefühl seiner Bürger gehemmt. Das zeigt ein Bericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen UNDP http://www.undp.org für die Staaten Belize, Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras und Panama. Unter allen nicht im Krieg befindlichen Regionen sei Mittelamerika diejenige mit den meisten Verbrechen, so der Bericht.

Die Zahlen hinterlegen diese Behauptung. 79.000 Menschen wurden in den sechs Kleinstaaten in den vergangenen sechs Jahren ermordet, was 33 Morde auf 100.000 Einwohner bedeutet und dreimal mehr ist als der globale Schnitt. Die Tendenz steigt, was auch die Fälle von Entführung, Diebstahl und Raubüberfälle betrifft. Gesunken ist offiziellen Angaben zufolge bloß die Zahl der Körperverletzungen.

Übertriebene Angst bestimmt Alltag

Bei der Bevölkerung der Länder hinterlässt dieser Zustand tiefe Spuren. "Kriminalität und Gewalt ist in den Medien allgegenwärtig und viele Menschen haben den Eindruck als herrsche Krieg. Die Vorfälle betreffen jedoch in der Regel nur winzige Regionen der Länder", berichtet Héctor Morales vom Kommunikationsbüro der UNDP in Guatemala-Stadt im pressetext-Interview. Schlimm sei, dass die hohe Gewalt in Ländern nicht nur hohe Kosten verursache, sondern auch die Alltagsentscheidungen der Bevölkerung beeinflusse. "Unsicherheit zerstört die Freiheit der Menschen und behindert sie damit in ihrer Entwicklung", betont Rebeca Grynspan, eine der Autorinnen des Berichts.

Die Wurzeln dieser Situation reichen laut Morales weit über die in der Region vorherrschenden Faktoren Armut und Rückstände in Bildung und Gesundheitsversorgung hinaus. "Einerseits spielt die Geografie eine große Rolle. Mittelamerika ist die Handelsroute zwischen Kolumbien, dem größten Drogenproduzent, und den USA, dem größten Drogenkonsument." Das Rechtssystem sei schwach ausgeprägt und besitze daher kaum das Vertrauen der Bevölkerung. Die Zahlen bestätigen dies, denn nur 15 bis 31 Prozent glauben, dass Täter von Raubdelikten oder Überfällen bestraft werden.

Überfälle auf Linienbusse

Ein weiterer wichtiger Grund sei das Bandenwesen, das in Mittelamerika als "Mara" bezeichnet wird. "Die Jugendkriminalität ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Junge Menschen schließen sich auf der Suche nach Unterhaltung und sozialem Anschluss an Banden an. Parallel zum gestiegenen Drogenkonsum dieser Gruppen wurden auch ihre Verbrechen immer blutiger." Waren Graffitis früher künstlerischer Ausdruck, würden sie heute häufig zur Androhung von Gewalttaten und Morden benutzt. Statt der reinen Verteidigung von Territorien überfallen Banden zunehmend öffentliche Verkehrsmittel. "Damit richten sie sich erstmals gegen die gesamte Bevölkerung", so Morales.

Die Exekutive steht immer besser ausgerüsteten mafiösen Gruppen innerhalb der Gesellschaft gegenüber. "Es ist kein organisiertes Verbrechen, sondern Organisationen für das Verbrechen", so Morales. Da Polizisten häufig in Komplizenschaft mit den Tätern stehen, vertraut man zunehmend in private Wachfirmen. Allein in Guatemala gibt es über 100.000 bewaffnete Privatpolizisten, die etwa in Schwadronen Jagd auf kriminelle Jugendliche machen. "Geschieht dies auch innerhalb des Rechtssystems, ist es keine legitime Lösung. Denn dieser Schutz ist vom Auftraggeber abhängig und somit nicht kontrollierbar", betont der UNDP-Sprecher.

Tourismus kämpft gegen Negativ-Image

Zur Besserung der Situation schlägt der Bericht den betroffenen Staaten einen Mittelweg zwischen den Extrempositionen einer strengen Kontrolle und der reinen Prävention vor. "Die 'mano duro', wie der strikte Weg in Mittelamerika bezeichnet wird, funktioniert nur in sehr kleinen Regionen, um etwa kurzfristig Wellen der Gewalt zu brechen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass sie darüber hinaus nur größere Probleme schafft", so Morales. Zivile Organisationen, die zur Integration beitragen könnten, sollen mehr eingebunden werden. Ähnlich auch Mauricio Funes, Präsident von El Salvador und einer der Berichtsautoren: "Erfolg im Kampf gegen das Verbrechen kann nur durch die volle Ausübung der Demokratie geschehen."

Ein Leidtragender der Situation ist auch der Tourismus, der wichtige Devisen in die Region bringt. Morales hält hier eine differenzierte Betrachtung für notwendig. "In Mittelamerika herrscht kein Chaos. Selbst in Honduras in den Tagen des jüngsten Militärputsches war im Land entgegen der internationalen Wahrnehmung überraschend ruhig." Reisende seien in der Regel ebenso sicher wie die wohlhabenden Schichten der Bevölkerung, wozu die erhöhte Bewachung der Touristenregionen beitrage. "Wer weiß, wie und wo er reist, kann die Magie der Länder genießen. Problematisch wird es, wenn man sich ohne Vorwissen in gefährliche Regionen wagt."

Kurzfassung und Download des Berichts unter http://content.undp.org/go/newsroom/2009/october/amrica-central-el-respeto-al-estado-de-derecho-es-el-remedio-ms-eficaz-contra-la-violencia-.en

(Ende)
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