Partnersuche im Netz - nur Zeitverschwendung?
Verlockende Alternativen - ernüchternde Wirklichkeit
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Lindau (pts009/30.01.2010/14:05) In seinem Buch "Die Weisheit der Vielen" feierte der Internet-Theoretiker James Surowiecki die Entwicklung der virtuellen Welt als historische Errungenschaft. Der Zugriff auf die vielen Daten werde helfen, die Probleme der Menschheit zu lösen. Um dieser Euphorie einen Dämpfer verpassen, erschienen jetzt fast zur gleichen Zeit Beiträge zu diesem Thema in großen deutschen Tageszeitungen.
In einem Interview in der "Süddeutschen Zeitung" (22.01.2010) sagte der Künstler, Musiker und Technologie-Forscher Jaron Lanier: "Für Leute, die sich mit Maschinen und Computern wohler fühlen als unter Menschen, versprach die Vorstellung, Menschen und Computer seien dasselbe, einen Ausweg aus all dem Schmerz und der Unsicherheit ihrer Sexualität. Vielleicht ließe sich sogar die Sterblichkeit überwinden." Doch dies sei eine gefährliche Illusion. Und an anderer Stelle spricht er vom "Narzissmus all dieser kleinen Jungs, die ihre Initialen an die Mauer sprayen, aber gleichzeitig zu feige sind, ihr Gesicht zu zeigen."
Eine Woche vorher hat Robert Schurz, der Frankfurter Psychotherapeut und Autor, einen Essay in der WELT (16.01.2010) unter der Überschrift "Volkssport Online-Dating" veröffentlicht. Er bezieht sich auf eine Umfrage, nach der heute bei den 30- bis 50-Jährigen ein Drittel aller Kontaktaufnahmen, die zu einer späteren Partnerschaft führen, über das Internet getätigt wird - Tendenz steigend.
Und in der Tat: die Zeit, die Menschen für eine derart persönliche Kommunikation im weltweiten Netz aufwenden, übertrifft bei vielen schon die Dauer realer Kontakte.
Der Autor sieht in der elektronisch gesteuerten Partnerfindung eine Zäsur in der Sittengeschichte. "Diese Zäsur kann man soziologisch als Auflösung der Familie beschreiben, psychologisch als epidemische Unfähigkeit, langfristige partnerschaftliche Bindungen einzugehen, oder als Siegeszug der Individualität beziehungsweise der Vereinzelung." Später kommt er dann zu dem Urteil, dass mit "dem weltweiten Netz die alte Balance von Zufall und systematischer Suche, von Schicksal und Zweck in der Partnerfindung aufgehoben" wird.
Scheinbar riesiges Angebot von Alternativen
Die Möglichkeiten des Computers, riesige Datenmenge zu durchstöbern, erscheint natürlich bei der Partnersuche zunächst verlockend. Als älterer Mensch könnte man fast neidisch werden, wenn man liest: "Vor etwa 30 Jahren lernte ein durchschnittlicher Zeitgenosse im Laufe seines Lebens maximal etwa tausend potenzielle Partner kennen. Im Internet hat man aktuell einen Zugriff auf das Hunderttausendfache. Natürlich nur theoretisch."
Bei diesem großen Angebot von Alternativen, aus dem man scheinbar in aller Sorgfalt die gewünschte Selektion, die optimale Partnerwahl treffen kann, beginnen, nach Schurz, die Probleme: Denn "um zu wissen, welches Teil zu einem passt, muss man zunächst wissen, wie man selbst ist. Man kann nur suchen, wenn man das definiert, was man sucht; damit definiert man aber auch seine eigenen Wünsche und in letzter Konsequenz seine eigene Person. Es ist gerade das riesige Angebot an möglichen Partnern im Netz, das einen zwingt, eine Vorauswahl zu treffen, sich festzulegen." Und das Fazit des Autors ist ernüchternd: "Nun könnte man meinen, durch all diese Filter wäre die Wahl derart optimiert, dass ein Irrtum so gut wie ausgeschlossen wäre. Dem ist aber nicht so: Internetbeziehungen haben durchschnittlich eine recht kurze Dauer."
Zum Beispiel kann es doch sehr gut sein, dass man im Netz einen Partner findet, der auch Science-Fiction-Romane liebt, auch grün wählt, auch überzeugter Nichtraucher, auch leidenschaftlicher Rapper und auch Mönchengladbach-Fan ist - und doch jeden Morgen die Zahnpastatube - oh Graus - in der Mitte zusammendrückt. Wenn man aber dieses Kriterium in die Checkliste aufnimmt, wird man ziemlich sicher für verrückt gehalten - oder trifft auf jemanden mit dem gleichen Tick. Auch keine Gewähr für eine schöne Zweisamkeit...
Depressionen und Angstzustände im Vormarsch
Der Anspruch, mit Daten und Online-Dates den idealen Partner fürs Leben zu finden, bleibt also schon von vornherein unwahrscheinlich: Das Resultat ist eine gewisse Vorläufigkeit jeder Partnerschaft.
Zum Schluss wirft Schurz noch einen Blick auf die Statistiken der Psychotherapeuten. Sie verraten ihm, "dass der Leidensdruck rund um die Partnersuche gewaltig zunimmt.
Depressionen, Angstzustände, die direkt oder indirekt durch die ewige Suche nach dem, der zu einem passt, ausgelöst werden, sind im Vormarsch."
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