pte20190221017 Tourismus/Reisen, Bildung/Karriere

Tourismus plagt sich mit Arbeitsklimaindex

IFES: Hohe Diskrepanz zwischen Erwartungen und Erfüllungen


Wien (pte017/21.02.2019/12:15) Trotz hervorragender Rahmenbedingungen und besten Zukunftsaussichten steht es um die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten in der Tourismus- und Freizeitindustrie nicht zum besten. Laut aktuellem Arbeitsklimaindex des Meinungsforschungsinstituts IFES schneidet die Branche deutlich schlechter ab als etwa Handel, Gewerbe und Industrie. Insbesondere in den Bereichen Status, Sozialleistungen, Zeiteinteilung, Einkommen und Karrierechancen enttäuscht die Branche, unter 29jährige schätzen die Situation sogar noch kritischer ein. Viele sehen ihre Zukunft daher in anderen Branchen, sagte IFES-Forscher Georg Michenthaler am Mittwoch abend bei einer Diskussion des Travel Industry Club Austria im Wiener Modul. http://www.ifes.at

"Heute ist es schwieriger Mitarbeiter zu akquirieren als Gäste", sagte TIC-Präsident Harald Hafner zur Begrüßung. http://www.travelindustryclub.at Die anschließende Präsentation der jüngsten Zahlen lieferte die Begründung für das schlechte Klima vor allem im Gastgewerbe, teilweise aber auch in der Hotellerie. Obwohl ein extrem interessantes Berufsbild stellt sich der Tourismus am Ende oft eher als "Abenteuer" dar, vergleicht man die Erwartungen mit den tatsächlichen Gegebenheiten - wie v.a. stehende Tätigkeiten, anstrengender Kundenkontakt, fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie doppelt soviel Stress und Überstunden bei geringer Kompensation und Anerkennung. Das ist auch der Grund, warum die Branche händeringend nach "Fachkräften" sucht, die es im Inland gar nicht mehr gibt.

Diversität als Mittel gegen Arbeitskräftemangel

Die EUREST, mit 100 Betriebsrestaurants und 3300 Beschäftigten österreichweit einer der größten Gastronomie- und Reinigungsdienstleister, setzt auf kulturelle Vielfalt und Diversität - mit über 54 Nationalitäten im Team. Sabine Riedel, zuständig für das Personalwesen, gibt ganz offen zu, dass die meisten Jobs mit Arbeitskräften österreichischer Herkunft gar nicht mehr zu besetzen seien, insbesondere in Salzburg und Tirol sei die Situation "sehr ernst" - und das obwohl das Unternehmen in der glücklichen Lage ist, sehr arbeitnehmerfreundliche Bedingungen zu bieten - wie geregelte Arbeitszeiten, freie Abende wie Wochenenden und Feiertage. http://www.eurest.at

Doch auch hier bremsen fehlende Ausbildung und hohe Fluktuation die Entwicklung. Allein 2018 wurden 650 neue Mitarbeiter aufgenommen, um die Personallücken zu schließen, bei Spitzen müssen Leiharbeitskräfte her. Andreas Weigner, Chef der Casinos Austria Gastrobetriebe, bestätigte in seinem Beitrag, dass es sicherlich ein großer Vorteil sei, auf dem Arbeitsmarkt als starke Marke aufzutreten - doch die Herausforderungen mit dem fehlenden Nachwuchs und Fachkräften seien dieselben wie überall anders auch. Eine grundsätzliche Verbesserung der Situation sei nur zu erwarten, wenn die Sensibilität und das Verständnis für die hohen Erwartungen der Beschäftigten und die Führungskompetenz von Chefs besser geschult würden. http://www.cuisino.at

Michenthaler vom IFES räumte dabei mit dem Missverständnis auf, dass Kundenzufriedenheit (Trinkgeld, Lob durch den Gast) gleich Mitarbeiterzufriedenheit bedeutet. In vielen Fällen komme es sogar vor, dass Beschäftigte trotz Kundenlob total unzufrieden mit ihrem Job sind. Fehlende Wertschätzung oder Anerkennung des Dienstgebers können dafür auch verantwortlich sein. "Mit mehr Schmerzensgeld kann man die Schmerzen eben nicht beseitigen", sagte der Meinungsforscher. Ganz allgemein müssten Gastrobetriebe jedenfalls ein Minimum an zeitgemäßen Arbeitsbedingungen bereitstellen, sonst hätten sie keine wirtschaftliche Existenzberechtigung mehr.

Marke des Arbeitgebers inspiriert

Jutta Altschuh von der Gastrostellenbörse Yourcareergroup Österreich hielt fest, dass der Tourismus europaweit eine Boombranche sei und dass es viel mehr offene Stellen gibt als in dem jeweiligen Land überhaupt besetzt werden könnten. Diese Personallücke bestehe auf allen Ebenen und betrifft alle Unternehmen. Kleinere Betriebe seien im Kampf um Bewerber daher nicht benachteiligt. Die Inspiration zu einem Jobeinstieg werde definitiv durch die Marke des Arbeitgebers kommuniziert, im Internet etwa durch Bewertungen, Mitarbeiteransprache und Employer Branding Maßnahmen. Die machen Gastro-Jobs transparenter denn je. https://www.hotelcareer.at/

Betrieb macht Zufriedenheit aus

Zur Frage, was Mitarbeiter eigentlich zufrieden macht, äußerte sich Altschuh differenziert. Einerseits gehe es darum, welche Werte und Ideen Mitarbeiter in den Betrieb einbringen dürfen und können, andererseits für welche Werte und Zukunftsvision der Betrieb selbst steht. Oft geht es gar nicht darum, in welcher Region ein Betrieb steht, sondern was er dem potenziellen Einsteiger bringt. Die Bewerberinnen seien heute viel mobiler und flexibler. Es gehe um den "persönlichen Nutzen" für die berufliche Weiterentwicklung, sagte Altschuh. Für die Betriebe geht es im Wettbewerb um Mitarbeiter hingegen darum, die Dinge besser sichtbar zu machen, die im Hintergrund vielleicht ohnehin schon gemacht werden.

Hintergrund: Der Travel Industry Club Austria bemüht sich u.a. um die bessere Aus- und Fortbildung von Mitarbeiter/innen sowie bessere Arbeitsbedingungen im touristischen Umfeld. Dazu werden laufend Studien, Workshops und Diskussionen organisiert. Weitere Fotos von der Veranstaltung: https://fotodienst.pressetext.com/album/3699

(Ende)
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