Toleranzgespräche: Europa braucht Neudefinition
Geeignete Geschichten gegen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit
Fresach (pte005/07.06.2019/06:10) Brexit, neue Nationalismen und der Klima-Aufstand der Jugend standen im Mittelpunkt der Europäischen Toleranzgespräche http://fresach.org am Donnerstagnachmittag. Dass der EU-Ausstieg Großbritanniens, die erstarkende Rechte in Europa und die zunehmenden Sozial- und Umweltprobleme zu einer Neudefinition des Kontinents führen müssen, wurde allgemein klar. Einig war man sich auch darin, dass Schöpfungsmythen und die richtigen Erzählungen entscheidend für die Zukunft Europas sind, und dass Kreativität und Kunst dazu einen wichtigen Beitrag leisten.
"Ohne Schöpfungsmythen gäbe es uns nicht. Sie dienen in unserem Leben als Haltegriff, wir können darin unsere Rolle und Aufgabe auf dieser Welt finden", meinte die evangelische Pfarrerin Lydia Burchhardt. Es sei dabei kein Problem, wenn die Schöpfungsmythen oft widersprüchlich sind. Für das friedliche Zusammenleben sei es bedeutsam, auch fremde Erzählungen und Sichtweisen zuzulassen.
Der Literaturwissenschaftler Rüdiger Görner nannte den Brexit als Beispiel für einen Schöpfungsmythos, der außer Kontrolle geraten ist. "Hier wird ein längst veraltetes Bild von Großbritannien vermittelt, das Souveränität und Überlegenheit gegenüber dem Rest von Europa vorgaukelt. Daraus entsteht ironischerweise aber auch viel Angst, von fremden Mächten überrannt zu werden - eine irrationale Invasionsphobie", so Görner.
Europa braucht Künstler
Ein großes Thema am Nachmittag war die Rolle von Künstlern und Schriftstellern für das Selbstverständnis von Europa. PEN-Autor Alexander Peer, der kürzlich das Buch "Schreibende Nomaden entdecken Europa" herausgegeben hat, meinte: "Wir waren am Anfang alle Nomaden, dann haben wir Grenzen gesetzt und Mauern errichtet. Ich will als schreibender Nomade Empfindungen und Gedanken sammeln und weitergeben. Es braucht Menschen, die am Rande der Leistungs- und Informationsgesellschaft stehen und ihre Perspektive von dort mitteilen."
Die Journalistin und Autorin Sonia Boumad betonte die Rolle von Künstlern, benachteiligten Menschen eine Stimme zu geben. "Ich will nicht über Kriegstreiber, über Sieger und Politiker schreiben. Immer wenn diese 'die Heimat schützen' wollen, leiden so viele andere darunter, deren Geschichten nie gehört werden. Ich will für und über Opfer schreiben, nicht über die Täter."
Dichterkollege Serafetin Yildiz stellte fest, dass in Europa wie auch weltweit ein "Chor des Schweigens" entstanden ist, in dem die Menschen nicht mehr wirklich miteinander reden. "Um aus diesem Trott auszubrechen, müssen wir jeden Tag etwas Neues sagen. Das kann auch schräg, utopisch oder verrückt sein. Deswegen müssen Künstler und Schriftsteller, die ihre Utopien aufbauen, zu Wort kommen", meinte der PEN-Autor.
Jugend muss Vorbild sein
Im Rahmen der Diskussionsrunde kam auch die "Fridays for Future"-Bewegung der Jugend Europas für den Klimaschutz zur Sprache. Lydia Burchhardt sah darin ein Vorbild für die ältere Generation: "Die Welt, die uns geschenkt wurde, müssen wir für die kommenden Generationen lebenswert zurücklassen. Angesichts des Engagements der Jugend schäme ich mich dafür, dass ich selbst zu wenig unternehme. Wir wissen alle, dass die Ressourcen verbraucht und der fruchtbare Boden verbaut wird. Jeder kann und sollte etwas tun."
Der Präsident des Kuratoriums der Europäischen Toleranzgespräche, der frühere Europaparlamentarier Hannes Swoboda, forderte von der Politik mehr Bewusstsein für den Willen der Jugend. "Hier muss mehr hingehört werden. Die Jugend erwartet so viel von uns. Die Politik darf die Schreie nach der Rettung unserer Erde nicht mehr ignorieren", so Swoboda.
Fotos zu den Europäischen Toleranzgesprächen sind bei Fotodienst kostenlos zum Download erhältlich. http://fotodienst.pressetext.com/album/3718
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