Puls 4: "ORF ist überpriviligiert und durch Zwangsgebühren finanziert"
Geschäftsführer Markus Breitenecker zum Senderstart im pressetext-Interview
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Puls 4-Geschäftsführer Markus Breitenecker (Foto: sevenonemedia.at) |
Wien (pte002/26.01.2008/06:15) Österreich bekommt ein viertes TV-Vollprogramm. Neben dem ORF und ATV wird ab Montag, dem 28. Januar, auch der Sender Puls 4 das Publikum bundesweit mit Programm versorgen. Seit 2004 war PulsTV bereits als Wiener Stadtsender aktiv. Erst im vergangenen Sommer hatte die deutsche Sendergruppe ProSiebenSat.1 das Unternehmen übernommen. In Zukunft will Puls 4 nun landesweit ein junges, urbanes Publikum ansprechen und mit Live-Sendungen und Event-Berichten punkten. Zum Start des Senders sprach pressetext im Exklusiv-Interview mit Geschäftsführer Markus Breitenecker über Ausrichtung und Abgrenzung des neuen Privatfernsehens sowie über die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Auftrags und das Gebührenmodell.
pressetext: Mit Puls 4 bekommt Österreich einen weiteren Vollprogramm-Sender neben ORF und ATV. Wie will sich Puls 4 abgrenzen und positionieren?
Breitenecker: Wir werden ein Sender sein, der die unter 50-Jährigen anspricht und eine sehr starke Eigenproduktionsschiene hat. Wir bieten mit Frühstücksfernsehen, dem Vorabendprogramm sowie wöchentlichen Live-Eventübertragungen über neun Stunden Eigenproduktionen pro Tag. Das ist mehr als ATV und ORF1 zusammen in diesem Bereich bieten.
pressetext: Die Hauptzielgruppe soll eine junges, urbanes Publikum sein. Aber reicht dieses in Zeiten der zunehmenden Konkurrenz auch aus, um das Überleben eines TV-Senders zu sichern?
Breitenecker: Es reicht nicht, wir müssen auch andere Sachen machen. Daher haben wir als weitere wichtige Programmsäule auch gutes Fiction-Programm im Angebot. Wir sind der einzige Sender, der jeden Tag - immer um 20.15 Uhr - einen guten Film hat, wo die Qualität auch tatsächlich stimmt. Dadurch, dass wir Teil der ProSiebenSat.1-Gruppe sind, kaufen wir das meiste darüber auch günstiger ein.
pressetext: Wird Puls 4 nun auch generell in punkto Finanzierung aus der Senderfamilie unterstützt bzw. welchen Anteil werden die Werbeeinnahmen ausmachen?
Breitenecker: Der Sender soll sich mittelfristig rechnen, also mehr Werbeeinnahmen haben als Ausgaben. Wir versuchen das erste bundesweite Privatfernsehen in Österreich zu machen, das sich auch wirtschaftlich rechnet. Wir wollen in absehbarer Zeit einen Break-Even erreichen, das heißt, über die drei Säulen Werbung, Einnahmen im Interactive-Bereich und Erlöse aus dem Produktionsbereich die Kosten decken können.
pressetext: Wie groß wird dabei der Anteil aus den Werbeeinnahmen sein?
Breitenecker: Das möchte ich noch nicht genau aufsplitten, aber es wird so sein, dass bis zu 50 Prozent aus anderen Erlösquellen kommen und ca. 50 Prozent aus Werbung.
pressetext: Kürzlich wurde für einzelne Bereiche auch eine Zusammenarbeit mit ATV in den Raum gestellt. Gibt es hier schon konkrete Pläne?
Breitenecker: Etwas Konkretes gibt es noch nicht, wir konzentrieren uns zuerst auf unseren eigenen Sendestart. Allerdings kämpfen wir Schulter an Schulter mit ATV für eine faire, duale Rundfunkordnung. Wir glauben, dass der ORF überpriviligiert ist und ein Monopol auf den öffentlich-rechtlichen Auftrag hat - das Ganze finanziert durch Zwangsgebühren. Wir erfüllen den öffentlich-rechtlichen Auftrag mindestens so gut wie der ORF, daher wollen wir auch einen Anteil an den Gebühren. Oder aber wir fordern wie Frankreichs Präsident Sarkozy, dass die öffentlich-rechtlichen Sender keine Werbung mehr haben sollen. Wenn es Werbung im ORF gibt, müssten auch die Gebühren auf alle aufgeteilt werden, die den öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen.
pressetext: Wenn es dann auch zu konkreten Kooperationen mit ATV, beispielsweise bei einzelnen Produktionen oder im Marketingbereich kommt, nehmen sich die beiden Sender nicht gegenseitig die Werbekunden weg?
Breitenecker: Nein. Bei den Werbekunden kommt uns der ORF in die Quere, nicht ATV. Da sind wir auf einer Seite.
pressetext: Was die inhaltliche Ausrichtung der Produktionen betrifft, zeigt sich im Vorfeld viel Lifestyle und Infotainment. Puls 4 will vor allem mit ORF1 konkurrieren. Wird es daher auch tiefgreifende Berichterstattung, Hintergrund- und Qualitätsformate in Bereichen wie Politik und Kultur geben?
Breitenecker: Wir sind von vornherein schon tiefgreifender als ORF1, weil wir österreichisch sind und ORF1 ausschließlich aus Serien und Spielfilmen besteht. Wir gehen tatsächlich in die Tiefe und diskutieren auch Politisches aus. Darüber hinaus geht es bei unserer Live-Berichterstattung nicht nur um Partys, sondern wir werden auch Konzerte übertragen, also bieten auch im kulturellen Bereich etwas. Wir werden hier sowohl im kulturellen als auch im sozialen Umfeld aktiv sein und nicht nur im Oberflächlichen und Seichten plantschen.
pressetext: Wie sehr werden diese Live-Berichte und Eventübertragungen von Wien bzw. großen Städten dominiert sein? Wo findet sich beispielsweise das junge, aber ländliche Publikum wieder?
Breitenecker: Der Sender hat ein Freelancer-Netzwerk über das ganze Land eingerichtet, sodass wir überall Leute haben, die für uns als Korrespondenten arbeiten. Die Formate werden von Städten dominiert sein, aber nicht nur von Wien. Wir werden auch von Ereignissen und Veranstaltungen in den Bundesländern, beispielsweise aus Innsbruck von Air & Style berichten. Dazu kommen Übertragungen aus den Skigebieten im Westen Österreichs.
pressetext: Zum Abschluss noch eine Frage bezüglich einer konkreten Sendung. Im Vorfeld gab es die Ankündigung, dass Natascha Kampusch ein eigenes Format auf Puls 4 bekommen wird. Soll diese nun tatsächlich starten und wo sehen Sie Ihre Verantwortung dabei, eine Person mit einer solchen Lebensgeschichte dem medialen und öffentlichen Druck auszusetzen?
Breitenecker: Die Sendung mit Frau Kampusch ist fix, offen ist allerdings noch der konkrete Starttermin. Derzeit befinden wir uns in der Pilotierungsphase. Grundsätzlich stammt die Idee von Natascha Kampusch, sie ist an uns herangetreten und wollte etwas mit Puls 4 machen. Ein Grund war sicherlich, dass wir ihr redaktionelle Freiheit geben und die Entscheidung überlassen, wer in die Talk-Sendung eingeladen wird und mit wem sie redet. Wir stellen Natascha Kampusch nach ihren Wünschen die Sendezeit zur Verfügung, betreuen und beraten sie. Wie sie uns gegenüber gesagt hat, möchte sie die Seiten wechseln, das heißt, von einem Objekt der Berichterstattung zu derjenigen werden, die die Fragen stellt. Diesen Wunsch respektieren und erfüllen wir, sind uns aber natürlich auch unserer Verantwortung bewusst. Wir werden das Projekt behutsam mit viel Zeit und Training angehen.
pressetext: Vielen Dank für das Gespräch.
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