In der Türkei isst niemand gern alleine
"Melting Pot" verantwortlich für einzigartige Koch- und Esskultur
Wien (pts011/10.04.2008/10:00) "Wähle deinen Freund nach dem Geschmack seines Essens" - anhand dieses türkischen Sprichwortes ist deutlich zu erkennen, welch wichtigen Stellenwert das Essen in der Türkei einnimmt. Es stellt fast schon ein im Alltag verankertes Ritual dar. So ist es beispielsweise beinahe unvorstellbar, alleine oder "schnell" seinen Hunger zu stillen. Denn das gemeinsame Genießen der kulinarischen Köstlichkeiten mit Freunden, Verwandten oder aber die Verpflegung überraschend eingetroffener Gäste bestimmen bis heute die Ernährungsgewohnheiten und zeigen auch die ungebrochene türkische Gastfreundschaft im Land am Bosporus.
Gegessen wird in der Regel drei Mal am Tag, wobei das Essen im Sitzen eingenommen wird. Dabei ist das Abendessen wohl das wichtigste Mahl, denn die ganze Familie kommt zusammen, um die Ereignisse des Tages zu besprechen. Oft werden Freunde oder Verwandte geladen und das Motto dabei ist, gut und reichlich zu servieren. Nur bei zwei Gelegenheiten gibt es keinen Gastgeber im eigentlichen Sinn: wenn zusammen die Wintervorräte zubereitet werden und bei gemeinsamen Ausflügen oder Picknicks.
Kulinarisch "On top"
Die türkische Küche ist eine der größten und umfangreichsten der Welt und liegt in puncto Vielfalt im internationalen Vergleich neben der chinesischen sowie der französischen unter den Top drei. Das Geheimnis: eine große Auswahl an frischem Obst und Gemüse, ein reichhaltiges Angebot an Fleisch und Fisch und eine Palette an Gewürzen, die verschiedenen Speisen ihre eigene Note verleihen. Auch die Atmosphäre während einer Mahlzeit ist eine nahezu feierliche und die besondere Art der Gestaltung macht die türkische Küche einzigartig. Die Esskultur im Land am Bosporus kann durchaus als "Melting Pot" verschiedenster Kulturen bezeichnet werden.
Wichtigste Zutat: Vielfalt
Jahrhunderte lang haben verschiedene Einflüsse die türkische Küche geformt. Drei Elemente sind deutlich erkennbar: ein kreatives Umfeld, ein vielseitiges Nahrungsmittelangebot aufgrund der geographischen Lage und die Verschmelzung der eigenen Traditionen mit anderen Kulturen bzw. das Erbe verschiedener königlicher Küchen. Zusätzlich bestimmen die reiche Fauna und Flora maßgeblich die wichtigsten Zutaten der nationalen und regionalen Spezialitäten. Die türkische Landschaft ist geprägt von vielen geographischen Zonen und das spiegelt sich auch in der Küche wider. Neben trockenen Steppen in Anatolien finden sich im Westen warme fruchtbare Berghänge oder an der Schwarzmeerküste ein relativ mildes Klima. Im Gegensatz zum Südosten mit wüstenähnlichen Gebieten ist die Marmara-Region in der gemäßigten Zone wohl am fruchtbarsten. Der Lage der Türkei ist auch der Reichtum an Fisch- und Meeresfrüchten zu verdanken, die immer wieder wichtige Bestandteile von Rezepten sind. Wie im gesamten islamischen Raum gelten auch im Land am Bosporus für die muslimische Bevölkerung zahlreiche religiöse Speisevorschriften. So wird kein Schweinefleisch gegessen, dafür kommen aber Spezialitäten vom Rind, Lamm und Geflügel zum Zug.
Zentralasiatische Periode und die Seldschuken-Herrscher
Schon seit frühester Zeit spielen Bräuche und Traditionen in der Türkei eine wichtige Rolle und beeinflussen bis heute die Kultur und somit auch die Kulinarik. Aus Aufzeichnungen geht hervor, dass sich in der Zeit der Zentralasiatischen Periode, in den Jahren vor 1038, Menschen im Land am Bosporus vor allem von Milchprodukten, ungesäuerten Backwaren und Fleisch ernährt haben. Bis heute haben einige dieser Nahrungsmittel überlebt. Aus der Periode der Seldschuken-Herrscher (von 1038 bis 1299) datieren die ersten Erzählungen über Rezepte und beginnenden Kochkünste, v.a. die Verwendung von Grillrosten, Spießen und irdenen Kochgefäßen wird immer wieder beschrieben. Gegartes Gemüse, gegrilltes Fleisch wurden damals schon durch spezielle Gewürze verfeinert.
Osmanische Periode
Die Ausbreitung des osmanischen Reiches prägte die türkische Küche besonders stark. Die Spannweite reichte von Mittelasien nach Marokko, vom Jemen bis fast nach Wien. Von Reisen und Kriegszügen wurden unbekannte Zutaten und exotische Gewürze mitgebracht, die die damalige Küche verfeinerten und bis heute beeinflussen. Neben der einfachen Küche der Bauern und Hirten entwickelte sich die Kochkunst des Sultanserails. Eine Herrschaar an Palastköchen bewirtete Herrscher und Würdenträger mit ausgefallen, neuen Gerichten. Für jede Speise gab es eigene Spezialisten, etwa für Suppen, Gemüse, Fisch, Brot, uvm. Von den Palästen fanden die Rezepte ihren Weg ins ganze Land und gelangten sogar bis nach Russland und Nordafrika. Vor allem Istanbul galt als Mittelpunkt des Geschehens. Das pulsierende Stadtleben und die Gründung von Kochzünften und Gilden, die zum Wissensaustausch beitrugen und die Verbesserung von Rezepten förderten, beeinflussten maßgeblich die Esskultur der Türkei.
Schnittpunkt Europa und Asien
Neben einer komplexen sozialen Organisation prägte aber auch die Kontrolle der Gewürzstraße das soziale und kulinarische Leben. Damit verbunden spielt die privilegierte Stellung der Türkei am Schnittpunkt zwischen dem Fernen Osten und Europa eine wichtige Rolle. Durch die Wanderungen der Türken von China bis zum Mittelmeer verdankt die türkische Küche ihre Vielfalt und ihren Reichtum an Spezialitäten.
Rezeptvorschlag
Schwarzmeersardinen "Hamsi" auf Gartenlattich (Sommerendivie)
Zutaten für 4 Personen
1000 g Sardinen, frisch (Sprottengröße)
2 Köpfe Salat (Gartenlattich - gibt es bei jedem türkischen Gemüsehändler)
75 g Maismehl, mittelfein (alternativ normales Weizenmehl)
Öl zum Frittieren (z.B. Maisöl)
1 Prise Salz
1 TL Pfeffer, rot, geschrotet (im türkischen Laden = Pul Biber)
4 Frühlingszwiebel(n), frisch, grün (alternativ Schalotten)
1 Bund Dill
3 EL Olivenöl
1 Zitrone(n)
Zubereitung
Sardinen ausnehmen, auseinander falten und immer zwei Stück so zusammenlegen, dass nur Außenseiten zu sehen sind. Das sieht nicht nur besser und appetitlicher aus, sondern beim frittieren bleibt das Innere schön weiß, während es außen knusprig braun wird. Die auf diese Art filettierten Fische werden vorsichtig im Mais (oder Weizen-Mehl) mit etwas Salz und rotem scharfen Pfeffer gewälzt und dann in der Frittierpfanne (z. B. in einem Wok) für 3 - 4 Minuten gebräunt. Aus dem Gartenlattich wird ein ganz normaler Salat angerichtet, zusammen mit Zitrone, Salz, Frühlingszwiebeln, Dill, Schalotten und Olivenöl. Afiyet Olsun (Guten Appetit)!
Über das Türkische Informationsbüro für Kultur und Fremdenverkehr
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