Borderline: Kunst überwindet Sprachbarriere
Ausstellung will Entstigmatisierung von Patienten vorantreiben
Hartheim (pte036/11.09.2009/16:35) Die psychische Erkrankung Borderline-Persönlichkeitsstörung hat viele Facetten und es gibt Möglichkeiten, das Leben mit ihr zu bewältigen. Diese Botschaft vermittelt die Ausstellung "tales of a borderline" der KulturFormenHartheim im Schloss Hartheim http://www.institut-hartheim.at , die vom 6. Oktober 2009 bis 31. Jänner 2010 über 70 Gemälde von vier Künstlerinnen mit Borderline aus Deutschland, Österreich und Großbritannien zeigt. Die Bilder geben individuelle Zeugnisse gelungener Selbstfindung und präsentieren die vielen Gesichter einer Erkrankung, die in der Gesellschaft meist verkürzt und negativ wahrgenommen wird. Grundlage der Ausstellung war ein mehrjähriges Forschungsprojekt an der Universität Wien http://www.univie.ac.at , das sich mit der Kunst von Borderlinern beschäftigte.
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung zählt zu den am wenigsten verstandenen psychischen Krankheiten. "Wer innere Gefühlszustände von Betroffenen nachvollziehen will, stößt schnell an Grenzen", berichtet Dagmar Weidinger, Kunsthistorikerin und Initiatorin der Ausstellung, im pressetext-Interview. Die Medien stellten das Syndrom meist verkürzt dar, indem sie es automatisch mit Gewaltkontexten verknüpfen oder mit dem Sensationsaspekt der Selbstverletzung durch Ritzen in Zusammenhang bringen würden. Erschwerend komme hinzu, dass Betroffene aufgrund von Traumatisierungen selbst kaum Worte finden, um Gefühle zu artikulieren und ihr Leiden verständlich zu machen. Das wolle die Ausstellung durch Kunst zustande bringen. "Malerei wird für viele ein Code, um aus der Isolation zu entkommen", so Weidinger.
Künstlerischer Ausdruck ist bei Borderline-Patienten oft Teil der Psychotherapie. Dabei wird gezielt genutzt, dass die Patienten häufig besonders große Kreativität entwickeln. "Das dürfte darauf zurückzuführen sein, dass Borderliner ihr Umfeld möglicherweise von Klein auf als ihnen feindlich gesinnt wahrgenommen haben. Viele Lebensgeschichten weisen Erlebnisse wie Trennung, Gewalt und Missbrauch auf. Das ruft eigene Strategien hervor, um die chronische Traumatisierung zu bewältigen. Borderliner sind auf ihre Art und Weise Lebenskünstler." Allerdings fordert Weidinger, Kunst von kreativem Schaffen zu trennen. "Die Entstehung im therapeutischen Atelier alleine macht noch keine Kunst aus, wenngleich sich Kunst und Therapie nicht ausschließen müssen. Viele Künstler mit Borderline wollen durch die Bilder kommunizieren, möchten ihre Werke jedoch auch als Kunst betrachtet wissen." Kriterien eines Kunstwerks seien die Fähigkeit, über sich selbst hinauszuweisen, sowie die ästhetische Spannung.
Die Bilder bringen das schwer Vermittelbare zum Ausdruck. "Deutlich werden besonders die Polaritäten und Kontraste, in denen Borderline-Patienten ständig leben. Sie schwanken zwischen Nähe und Distanz, Leere und Anspannung, Minderwertigkeit und Stärke, fühlen sich manchmal als Superstar, dann als Versager. Dargestellt wird das zum Beispiel in zweigeteilten Gesichtern." Ein häufiges Motiv sei die Einsamkeit, für deren Ausdruck Außerirdische, fremde Planeten oder eine Glasglocke gewählt werden. Quer durch alle Bilder zieht sich auch die Formulierung der ständig hohen Spannung, die ein Leben mit Borderline bedeutet. "Menschen mit Borderline leiden an Hochstress, da ihre Spannung ein Vielfaches derjenigen von Durchschnittsmenschen beträgt. Im Idealfall ermöglicht die Malerei ein Ausagieren dieser Spannung auf der Leinwand anstatt der Verletzung der eigenen Haut mit der Rasierklinge", berichtet Weidinger.
Trotz der oft hohen Qualität der Kunstwerke von Borderline-Patienten ist der Zugang zum Kunstmarkt für ihre Schöpfer ein steiniger Weg. "Der Psychiatrie-Stempel, den man durch solche Ausstellungen bekommt, stellt einer Gesellschaft immer die Frage, wie offen sie tatsächlich ist." In Österreich sei dies denkbar schwierig, da die Krankheit sehr negativ konnotiert sei. In Deutschland seien die Voraussetzungen besser, wozu die weitere Verbreitung von Initiativen zur Borderline-Selbsthilfe beigetragen hätten. Die größte Akzeptanz ortet Weidinger in England. Doch auch allgemeine Anforderungen an Künstler würden Borderlinern häufig zum Stolperstein, brauche man doch angesichts der vorprogrammierten Ablehnung und der notwendigen eigenen Vermarktung große persönliche Stärke. "Es ist bewundernswert, wie die Künstlerinnen die hohen Herausforderungen dieser prekären Lebensbedingungen bewältigen, obwohl sie nur über geringe Belastbarkeit und Stressresistenz verfügen", so die Wiener Kunsthistorikerin.
Link zur Ausstellung: http://talesofaborderline.com
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