Ukraine: Aids-Epidemie vor der Haustür
Explodierende Patientenzahlen ohne Aussicht auf Besserung
Aids-Medikament: Für viele Ukrainer unerreichbar (Foto: plwh) |
Kiew/Wien (pte030/21.07.2010/13:59) In der Ukraine entwickelt sich HIV/Aids zunehmend zu einer Epidemie. "Die Welt begreift erst sehr langsam, dass in einem Land im Zentrum Europas eine Entwicklung wie in Südafrika geschieht", erklärt Andriy Ansrishkiv, Sprecher des ukrainischen Netzwerkes von Menschen, die mit HIV/Aids leben (PLWH) http://network.org.ua , im pressetext-Interview auf der 18. internationalen Aids-Konferenz http://www.aids2010.org in Wien.
Alternative Selbstmord oder Drogen
Tatsächlich verzeichnet die Ex-Sowjetrepublik, die nur 420 Kilometer vom Kongressort Wien trennen, Europas höchsten Anstieg der HIV-Infizierten. 360.000 Ukrainer leben laut WHO mit dem HI-Virus, die Hälfte davon hat auch Tuberkulose. Täglich infizieren sich 160 Menschen neu, die Prognose für 2015 lautet 800.000 Betroffene.
War der Hauptüberträger des Virus bis 2008 noch die Drogensucht, ist es heute der Sex zwischen Mann und Frau. "In der Depression der 90er-Jahren hatten viele Jugendliche in manchen östlichen Regionen nur die Wahl zwischen Selbstmord oder Drogensucht. Die wirtschaftliche Situation ist nun etwas besser, doch die Spätfolgen sind da", so Ansrishkiv. Dazu gehört auch die Situation in den Gefängnissen. Von den 145.000 landesweiten Insassen haben 15 Prozent HIV/Aids und 80 Prozent Tuberkulose.
Patienten leiden an Korruption
Probleme gibt es an allen Ecken. Die Behandlung, die derzeit 42.000 Menschen dringend brauchen, erhalten nur 16.000. Was das für Betroffene bedeutet, erklärt PLWH-Direktor Dima Sherembey, selbst HIV-Positiver. "Medikamente gibt es nur in den Städten und auch hier ist der Zugang schwierig. Für antiretrovirale Therapien muss man sich jedesmal im Spital lange anstellen. Vorgewunken werden nur die im schlimmsten Krankheitszustand", so der Aktivist gegenüber pressetext. Da die Versorgung nicht funktioniert, meiden Menschen den HIV-Test, der Klarheit schafft.
Der Korruption im Land geben die beiden Experten die Hauptschuld, dass die Situation schlechter statt besser wird. "Die Behörden bereichern sich, indem sie Medikamente zu einem bis zu zehnfach höheren Preis weitergeben. Zudem ignoriert die Regierung die am meisten betroffenen Gruppen - Drogenabhängige, Homosexuelle und Sexarbeiterinnen - eindeutig, statt sich ihnen zu stellen." Auch Vorbeugemaßnahmen seien ein Fremdwort und nur bei Projekten von Hilfsorganisationen wie des Global Funds zu finden.
Behandlung und Aufklärungsunterricht
Geschlagen wollen sich die beiden Aktivisten nicht geben. Die Wiener Konferenz sehen sie als Chance, die Welt wachzurütteln für die Situation in ihrem Land und Kontakte zu möglichen Spendern zu knüpfen. "Die beste Vorbeugung heißt für uns im Moment die Behandlung der Erkrankten. Daneben braucht die Ukraine ein neues soziales Klima und besseren Aufklärungsunterricht in den Schulen, damit sich ein verantwortungsvoller Umgang mit Sex durchsetzt. Denn Kondome sind für die Jugend fast unleistbar", betont Ansrishkiv.
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