pte20240304004 Unternehmen/Wirtschaft, Politik/Recht

Sanktionen treffen immer auch Nachbarländer

Wissenschaftler der University of Warwick haben 177 Staaten in Bezug auf den Handel untersucht


Kein Gas: Sanktionen wirken sich auch auf unbeteiligte Länder aus (Bild: Alexey Hulsov, pixabay.com)
Kein Gas: Sanktionen wirken sich auch auf unbeteiligte Länder aus (Bild: Alexey Hulsov, pixabay.com)

Coventry/Berlin (pte004/04.03.2024/06:15)

Wirtschaftssanktionen, wie sie die westliche Welt seit rund zehn Jahren wegen der Annexion der Krim und des Überfalls auf die Ukraine gegen Russland verhängt hat, treffen auch unbeteiligte Länder. Das zeigt eine Untersuchung von Vincenzo Bove, Jessica Di Salvatore und Roberto Nisticò von der University of Warwick. Sie haben die Folgen von Wirtschaftssanktionen auf 177 Länder untersucht, deren Nachbarländer zwischen 1989 und 2015 von Sanktionen betroffen waren.

Handelseinbußen nicht selten

"Wir fanden heraus, dass benachbarte Länder im Schnitt einen erheblichen Rückgang des Handels - etwa neun Prozent - verzeichneten, nachdem in ihrer Nähe Wirtschaftssanktionen verhängt worden waren. In den meisten Fällen führt das zu einer Störung der Handelswege und -beziehungen sowie zu zusätzlichen Transport- und Transaktionskosten. So berichteten beispielsweise 21 Länder über wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge der gegen den Irak verhängten Sanktionen", heißt es.

Es gibt aber auch Länder, die von Sanktionen gegen ihre Nachbarn profitieren, meist ungewollt. So verzeichnete die Dominikanische Republik nach den Wirtschaftssanktionen gegen Haiti im Jahr 1987 einen Anstieg des Handels. Den gleichen Nutzen - in beiden Fällen möglicherweise aufgrund des grenzüberschreitenden Handels - hatte Kenia, als Somalia 1992 mit Sanktionen belegt wurde. Nach den 1991 gegen Jugoslawien verhängten Sanktionen kam es in Albanien zu einem drastischen Anstieg der Importe, während in Bulgarien zunächst ein Anstieg, dann ein Rückgang in den folgenden drei Jahren und schließlich ein Wiederanstieg in den folgenden sechs Jahren zu verzeichnen war.

Profite für Sanktionen-Umgeher

Es scheint laut den Experten also, dass Wirtschaftssanktionen den Nachbarländern beträchtliche Chancen eröffnen können, da weltweit tätige Hersteller ihre Produktionsstätten aus dem betroffenen Land verlagern. Auch russische Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, Aktivitäten in Nachbarländer wie Kasachstan zu verlagern. Nachbarländer bekämen die Möglichkeit, im Namen des Landes, das mit Sanktionen belegt ist, Handel zu treiben oder Waren über die Grenze zu schmuggeln.

So könnten die mit Sanktionen belegten Waren über Drittländer umgeleitet und dann nach Russland verschifft werden. Es gebe Anzeichen dafür, dass Länder, die nicht unbedingt an das Sanktionsregime gebunden sind, wie Kasachstan und Kirgisistan, ihren Handel mit dem Angreifer in der Ukraine ausgebaut haben. In den sanktionierten Ländern sind die Folgen oft weniger gravierend als erwartet. So reduzierte sich der Konsum der Russen nach den Sanktionen 2014 laut einer Simulationsrechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung gerade einmal um 1,4 Prozent.

(Ende)
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