pte20231006014 Forschung/Entwicklung, Medizin/Wellness

Skandinavier haben sechsten Geschmackssinn

US-Forschern gelingt erstmals Nachweis der entscheidenden Rezeptoren für Ammoniumchlorid


Salzige Lakritze: Ammoniumchlorid bringt den besonderen Geschmack (Foto: Maxine Eschger)
Salzige Lakritze: Ammoniumchlorid bringt den besonderen Geschmack (Foto: Maxine Eschger)

Los Angeles (pte014/06.10.2023/10:30)

Nach der 1908 entdeckten fünften Geschmacksrichtung "umami" haben Forscher des USC Dornsife College of Letters, Arts and Sciences nun Belege für eine sechste Geschmacksrichtung. Die Zunge reagiert demnach auf Ammoniumchlorid über den gleichen Proteinrezeptor, der auch einen sauren Geschmack signalisiert. Laut der leitenden Wissenschaftlerin Emily Liman sind die Menschen vor allem in skandinavischen Ländern damit vertraut. Salziges Lakritz ist hier seit mehr als 100 Jahren sehr beliebt. Es enthält Salmiaksalz oder Ammoniumchlorid. Details sind in "Nature Communications" nachzulesen.

OTOP1 entscheidend

Seit Jahrzehnten suchen Forscher nach den spezifischen Rezeptoren der Zunge, die auf Ammoniumchlorid reagieren. Den Autoren der aktuellen Studie ist es bereits mit OTOP1 gelungen, das Protein zu identifizieren, das für das Erkennen eines sauren Geschmacks verantwortlich ist. OTOP1 befindet sich in den Zellmembranen und bildet einen Kanal für Wasserstoffionen, die sich in die Zelle bewegen. Wasserstoffione sind ein wichtiger Bestandteil von Säuren, die von der Zunge als sauer wahrgenommen werden.

Da Ammoniumchlorid die Konzentration einer Säure beeinflussen kann, haben sich die Forscher gefragt, ob es auch OTOP1 triggern könnte. Also haben sie das OTOP1-Gen im Labor gezüchtete menschliche Zellen eingeführt, damit diese Zellen das OTOP1-Rezeptorprotein produzieren. Als nächstes wurden die Zellen Säure oder Ammoniumchlorid ausgesetzt und die Reaktionen gemessen. Laut Liman erwies sich dabei Ammoniumchlorid als sehr starker Aktivator für den OTOP1-Kanal. "Es aktiviert so gut oder besser als Säuren."

Tests mit Labortieren

Ammoniumchlorid setzt kleine Mengen von Ammonium frei, die sich in das Zellinnere bewegen und den pH-Wert erhöhen. So wird er alkalischer, verfügt also über weniger Wasserstoffionen. Laut Erstautorin Ziyu Liang lenkt dieser pH-Unterschied einen Protonenzufluss durch den OTOP1-Kanal. Im nächsten Schritt wurden diese Ergebnisse an Zellen der Geschmacksknospen von Mäusen überprüft. Dafür wurde ein Verfahren eingesetzt, das die elektrische Leitfähigkeit misst, also simuliert, wie Nerven ein Signal übertragen.

Dafür wurden neben anderen Tieren auch Mäuse eingesetzt, die zuvor gentechnisch dahingehend verändert wurden, dass sie kein OTOP1 mehr produzieren. Die Geschmacksknospen der Wildtyp-Mäuse wiesen nach der Hinzufügung eine starke Zunahme der Aktionspotenziale auf. Die Geschmacksknospen der gentechnisch veränderten Tiere reagierten jedoch nicht auf das Salz. Damit ließ sich die Hypothese bestätigen, dass OTOP1 auf das Salz reagiert, also ein elektrisches Signal in den Zellen der Geschmacksknospen hervorruft.

Auch Courtney Wilson kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Mäuse hatten bei diesem Experiment die Wahl zwischen normalem Wasser oder mit Ammoniumchlorid versetztem Wasser. Dafür wurden die Bitter-Zellen deaktiviert, die auch zu dem Geschmack von Ammoniumchlorid beitragen. Mäuse mit funktionierendem OTOP1 tranken die Lösung nicht. Ohne OTOP1-Protein nahmen die Tiere sogar Flüssigkeiten mit einer sehr hohen Konzentration zu sich. Laut Liman handelt es sich dabei tatsächlich um den relevanten Faktor.

(Ende)
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