Ex-Nestlé-Chef: "Karriere ohne Uni möglich"
Sozialer Aufstieg hängt laut Peter Brabeck-Letmathe von der Bereitschaft ab, täglich dazuzulernen
Fresach (pte013/21.05.2021/12:30)
„Das wichtigste in der Ausbildung ist Lernen lernen", meinte Peter Brabeck-Letmathe, Präsident Emeritus des Verwaltungsrates bei Nestlé, heute, Freitag im Gespräch „Eine Frage der Fairness" im Rahmen der diesjährigen Europäischen Toleranzgespräche http://fresach.org . Denn aus seiner Sicht ist die richtige Einstellung und der Wille, täglich dazuzulernen, letztlich wichtiger für Chancen auf sozialen Aufstieg als ein toller Uni-Abschluss. Er äußerte sich weiters zu Mindesteinkommen, Globalisierung und den Vorteilen der direkten schweizer Demokratie.
Dauernd dazulernen
In seiner aktiven zeit bei Nestlé habe er bei der Einstellung von Kandidaten nicht so sehr auf MBA-Abschlüsse von Top Unis geachtet, so Brabeck-Letmathe. „Alles, was Sie heute lernen, ist schon morgen ohne Nutzen", erklärte er. Wichtiger als tolle Zeugnisse sei also der Wille, täglich dazuzulernen. Gelernt zu haben zu lernen gäbe also in Folge die Möglichkeit, auf der sozialen Leiter aufzusteigen. Zudem betont er, dass unser Bildungssystem derzeit zu sehr darauf fokussiere, Schwächen auszumerzen. Es wäre aus seiner Sicht sinnvoller, auch die Stärken einzelner Schüler zu fördern.
Der langjährige Topmanager findet es durchaus bedenklich, das Statistiken zufolge Bildung bei uns stark erblich ist. Er könne sich vorstellen, dass dieses Problem auch mit sprachlichen Barrieren bei Menschen mit Migrationshintergrund zusammenhänge, die einem Studium im Wege stehen. „Es gibt viele soziale Aufstiege für Leute, die nicht studieren", betonte er allerdings. Als Beispiel verwies er darauf, dass ein Handwerksmeister mit eigenem Unternehmen doch besser dasteht als ein Akademiker in einem eher unbedeutenden Bürojob.
Wichtige Mindeststandards
Zwar bezweifelte Brabeck-Lemathe, dass Wohlstand allein glücklich macht. Allerdings erfordere es aus seiner Sicht eine Mindestgrundlage, damit Menschen ihr Glück beispielsweise in einer erfüllenden Tätigkeit suchen können. „Ein Mindesteinkommen ist etwas, das man wirklich durchsetzen sollte", meinte er. Das gilt aus seiner Sicht vor allem angesichts veränderter sozialer Bedingungen. „Der soziale Impakt der Pandemie kommt ja erst", warnte er. Gerade Europa sehe die wirklichen Folgen bislang noch nicht.
Was Europa aus Sicht des früheren Nestlé-Chefs sehr wohl schon spürt, ist die Veränderung der globalisierten Welt. Es verliere wirtschaftlich und politisch jeden Tag an Wichtigkeit. Global gesehen bestehe zwar keine Frage, dass „die Globalisierung einen sehr, sehr positiven Einfluss hatte." Für den Einzelnen und bestimmte Regionen habe es aber tatsächlich Verschlechterungen gegeben. Brabeck-Lemathe verwies diesbezüglich auf das Beispiel der Region Detroit, der das globale Outsourcing in der Automobilindustrie stark zugesetzt hat.
Zerstückelte globale Welt
Der langjährige Top-Manager betonte indes, dass die Pandemie hätte effektiver bekämpft werden können, wenn die WHO wirklich weltweit etwas zu sagen hätte. Doch ortet er eher Tendenzen, dass die globalisierte Welt sich weiter zerstückelt, etwa mit Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien und Schottland.
Die Schweiz wiederum hat aus seiner Sicht berechtigte Bedenken, Vollmitglied des aktuellen EU-Konstrukts zu werden und damit Souveränität zu verlieren. Denn sie sei ein sehr demokratisches Land, in dem direkte Demokratie sehr gut funktioniere. „Die Schweizer machen in Referenden fast immer die richtige Entscheidung", meinte Brabeck-Lemathe. Die direkte Demokratie wirke dem Problemen gegen, dass zu viele Politiker rund um die Welt eher „Machtversessenheit und Zukunftsvergessenheit" an den Tag legen.
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