Im Gewerbeverein wurde diskutiert, ob und was Lobbying bringt?
Doutlik-Definition dazu: "Den Beton formen, so lange der Zement noch weich ist!"
Wien (pts053/08.06.2004/20:10) Einmal mehr brachte eine interessante Diskussion im Österreichischen Gewerbeverein (ÖGV) bei hoch reputativem Podium mehr Klarheit über in mystisches Wesen: Lobbying!
Österreichs Handelsdelegierter in Brüssel Stefan Pistauer betonte die generelle und allumfassende Notwendigkeit des Lobbyings: "Sie beginnt schon in der Familie, wenn Kinder ihre Eltern manipulieren". Wenn man bedenkt, dass achtzig Prozent des europäischen Wirtschaftsreglements seinen Ausgang in Brüssel nimmt, ist es unabdingbar, nicht mit dabei zu sein. Immerhin schätzt man, dass derzeit 10.000 Lobbyisten in Brüssel tätig sind. Pistauer führte aus, dass bereits die Vorgängerorganisation der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - die Montanunion - ausdrücklich Lobbying nach dem Grundsatz förderte: "Wer etwas zu sagen hat, der muss auch gehört werden." Allerdings gab Pistauer zu bedenken, dass man gegen den Zeitgeist schwer lobbyieren kann. Und die Tendenz einer Umwelt- und Verbraucherschutzlastigkeit ist bei der EU in starkem Maße gegeben. Zusammenfassend zitierte Pistauer Österreichs MEP Othmar Karas: "In Brüssel wird lobbyiert, in Österreich interveniert".
Karl Georg Doutlik, der Wiener EU-Kommissionsvertreter ging kurz auf die Mechanismen der EU-Rechtswerdung ein. Die Kommission macht die Vorschläge, die von Rat oder Parlament entschieden werden. Lobbyismus ist für ihn die Kombination aus Information und Argumentarium. "Die ominösen Kuverts, werden jedenfalls nicht übergeben", so Doutlik. Die Relation EU-Regulativverantwortliche, die Doutlik mit 5.000 beziffert zu Lobbyisten (10.000) zeigt, dass diese stolze 2:1 zugunsten der Letztgenannten beträgt. Doutliks Kernthese zu Lobbying: "Den Beton formen, so lange der Zement noch weich ist". Es ist klar, dass sich Entscheidungsträger in einer Phase fast fertiger Rechtsmaterien in eine natürliche Abwehrposition begeben und dann nicht mehr umzustimmen sind.
Unser bisheriger ÖGV-Präsident Ferdinand Gantner - jahrelanger Berater der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie - ging eingangs auf die Lobbying-Funktion des ÖGV ein, die dieser seit seinem Bestehen - seit 1839 - ausübt. Seiner Ansicht nach, sind die EU-Mechanismen hier zu Lande zu wenig bekannt. Sachkenntnis sei daher gefordert. Gantner verhehlt nicht, dass Lobbying in Brüssel leichter durchzuführen ist, als in Österreich. Einige Grundregeln: 1) Wichtig ist die Kunst der Koalition! 2) Stets Win-Win-Situationen schaffen! 3) Vertrauen und Seriösität sind unabdingbar! 4) Wem der Respekt vor dem Partner fehlt, der wird Schiffbruch erleiden! Weiters betonte Gantner, dass verantwortungsvolle Lobbyisten auch nach innen zu wirken haben - die eigene Klientel gilt es, im Sinne der Seriösität des Anliegens zu überzeugen.
Michael Kraess stellte sein Unternehmen CONCILIUS ( http://www.concilius.com ) als eine privatwirtschaftlich organisierte Lobbying-Organisation vor. Es wird so zu sagen die Funktion der Regierungsschnittstelle im Unternehmen an Spezialisten mit einer hohen Fallzahl und der damit zwangsweise verbundenen effektiven Systematik outgesourct. Wichtig sei es, einen Ausgleich der jeweiligen Partikularinteressen herzustellen. Warum gibt es privatwirtschaftlich organisierte Lobbyisten, wenn diese Leistungen von Verbänden wahrgenommen werden? Bei homogenen Anliegen sind Interessensvertretungen durchaus effektiv. Immer dann, wenn Interessenskonflikte innerhalb von Verbänden auftreten können, empfiehlt sich ein privatwirtschaftlicher Lobbyist.
Kraess betonte, dass deutschsprachige Länder durch ihre starken Verbände noch nicht richtig mit den Brüsseler Strukturen umgehen können. Das bezieht sich insbesondere auf die starke Rolle der NGOs in Brüssel. Wobei diese Organisationsformen permanenten Änderungsprozessen unterliegen.
Ausdrücklich stellte Kraess klar, dass sich Lobbying von CONCILIUS natürlich nicht nur auf die Europäische Union beschränkt.
Klaus Emmerich betrachtete Lobbyismus von der allgemein politischen Seite. Er berichtete, dass die neuen Beitrittsländer ihre Kommissare sehr wohl als Staatslobbyisten betrachten. Aber daran ist die EU schon gewöhnt. Auch die Benelux-Staaten setzen sich vor wichtigen Entscheidungen informell zusammen und stimmen ihr Entscheidungsverhalten untereinander ab. Emmerich bedauerte, dass Lobbyismus all zu oft mit Misstrauen betrachtet wird.
(Ende)Aussender: | Österreichischer Gewerbeverein |
Ansprechpartner: | Dr. Herwig Kainz |
Tel.: | 01/587 36 3330 |
E-Mail: | h.kainz@gewerbeverein.at |