pts20060530050 Umwelt/Energie, Handel/Dienstleistungen

Gewerbeverein: Ganz sicher kann sich die Wirtschaft bei Energie nicht fühlen,

aber das Restrisiko ist derzeit in Österreich gering, am niedrigsten in Wien!


Wien (pts050/30.05.2006/22:54) In einer gemeinsamen Veranstaltung des Österreichischen Verbandes für Elektrotechnik (ÖVE) und des Österreichischen Gewerbevereins (ÖGV) fand eine spannende Podiumsdiskussion zur Versorgungssicherheit im heimischen Energiebereich statt.

Moderator Ernst A. Swietly betonte in seiner Einführung, dass Energiesicherheit ein Jahrhundertthema ist. Unsere Kinder und Enkel sind von Entscheidungen betroffen, die heute getroffen werden. Genüsslich zitierte er dann aus dem kürzlich erschienenen Buch von Mitdiskutant Bernhard Raschauer, "Handbuch Energierecht" (Springer-Verlag), dass in Österreich keine Energiepolitik betrieben wird. Sie ist Nullthema und wird vom Zufall geregelt.

Raschauer (Verwaltungsrechtler, Uni Wien) betonte, dass die Energiemarktliberalisierung eine drastische Änderung brachte. Niemand ist nunmehr verpflichtet, Anlagen zu errichten. Auf der Nutzungsseite gibt eine EU-Richtlinie lediglich vor, dass jährlich ein Prozent pro Jahr an Energie einzusparen sei. Physikalisch ist Versorgungssicherheit einfach darzustellen. Strom sucht sich stets den kürzesten Weg. Wien wird somit vom Kraftwerk Freudenau versorgt und damit ist Österreich weit auch klargestellt, dass sämtlicher aus heimischer Wasserkraft gewonnener Strom auch in Österreich verbraucht wird. Problematisch wird es, wenn die großen Stromerzeuger im Norden des Landes angesiedelt sind und die Verbraucher etwa in der Steiermark. Da bleibt mangels 380 kV-Leitung die Sicherheit auf der Strecke. Das so genannte (n - 1)-Kriterium ist in Österreich nicht erfüllt: Damit ist gemeint, dass bei n Leitungen stets eine weitere zur Verfügung stehen muss, die eine Unterbrechung einer Leitung überbrückt.

E-control-Volkswirtschaftler Johannes Mayer betonte, dass sowohl Österreich wie die EU Energieimporteure sind. Und es gibt keine Maßnahme, die beide Wirtschaftsräume autark machen könnte. Ein Hauptproblem ist die lange Genehmigungsdauer von Energieinfrastruktur. Wer hier 12 Jahre warten muss, wie in der EU, der kann nicht bedarfsorientiert agieren. In Texas ist die vergleichbare Zeit ein Viertel davon.

Energieprobleme - und damit ist nicht Öl gemeint - gibt es dort keine. Eine EU-Energiepolitik ist - so Mayer gefordert. Kooperation auf nationaler Ebene ist anzustreben. Aufhorchen ließ Mayer, der betonte, dass, wenn die derzeitig verfügbare Elektrizitätsproduktionskapazität voll eingesetzt wird, die Energieversorgung des Landes bis mindestens 2015 gesichert ist.

Günther Rabensteiner (VERBUND-Austrian Power Trading AG) betonte ebenfalls, dass es bei Strom keine autarke Österreich-Lösung geben kann. Wir sind von fossilen Brennstoffen abhängig und die müssen großteils importiert werden. Die Schwachstelle unserer Elektrizitätsversorgung sieht Rabensteiner im fehlenden 380 kV-Leitungsring. Um diesen wird schon Jahrzehnte lang gerungen. Verbund ist in Italien stark engagiert. Die Regierung Berlusconi brachte es zu Stande, dass Neubauten von Kraftwerken innerhalb eines Jahres bewilligt werden. Bemerkenswert ist auch, dass in Italien, die Einspeisetarife für Produzenten im gut versorgten Norden tiefer liegen, als im Süden. Dadurch wird aktive Standortpolitik betrieben.

Rabensteiner machte auch mit der Mär der exorbitanten Strompreiserhöhung ein Ende. 1999 fielen die Industriepreise um bis zu 50 Prozent aufgrund eines entflammten Verdrängungswettbewerbes. Dies wird nun wieder aufgeholt. Selten wurde so klar dargestellt, dass an allen Energien, der Finanzminister mit etwa 30 Prozent mitschneidet.

Ebenso war Rabensteiners Aussage bemerkenswert, dass die ob ihrer energieautarken Anstrengungen stets so gelobten Burgenländer, einer der größten VERBUND-Stromabnehmer sind. Windkraft wirkt nicht immer - Autarkie stößt so an ihre Grenzen.

Resümee Rabensteiner: Punktuelle Probleme bei der Versorgungssicherheit sind nicht auszuschließen.

Heinz-Peter Hochrainer (E.ON Ruhrgas Austria AG) betonte in einem Kurzseminar, dass die weltweit bekannten Gasreserven in den letzten zehn Jahren um 90 Prozent anstiegen - im gleichen Zeitraum erhöhte sich der Bedarf global nur um 35 Prozent. Das meiste Erdgas geht in die privaten Haushalte.

Potenzial sieht Hochrainer bei der Versorgung von Kfz-Motoren mit Erdgas. Hier kommt es mittelfristig zu einer starken Steigerung. Eine Erklärung zum niedrigen Gaspreis Mitte und Ende der 90er Jahre ortet Hochrainer im Einbrechen des Gasverbrauchs in Russland. Damit war Spielraum für den Export gegeben. Dies ist heute durch den stark wachsenden russischen Heimmarkt nicht mehr gegeben. Kein Zweifel besteht, dass die Energieeffizienz beim russischen Erdgas noch weit verbesserungsfähig ist.

Die Stadt Moskau verbraucht etwa soviel Gas, wie ganz Deutschland. Auf die Frage der Optimierung der Versorgungssicherheit im Gasbereich weiß Hochrainer eine plausible Antwort. Die Energiepolitiken der EU, Russlands und des Nahen Ostens sind enger zu verflechten. Und neue Energiequellen sind zu explorieren.

Bemerkenswert: Immerhin kommen 49 Prozent des in der EU verbrauchten Erdgases via Pipeline. Zu 26 Prozent ist es russischer Herkunft. Die Frage nach dem Einsatz von Biogas sieht Hochrainer als verfolgenswert. Allerdings: Selbst wenn alles möglich produzierbare Biogas in die Netze eingespeichert wird, wird gerade ein Neuntel des Gasverbrauchs befriedigt - davon sind wir aber meilenweit entfernt.

Unternehmer und Manager gingen wohl nicht unzufrieden zum Buffet. Allerdings werden wir an der 380 kV-Ringleitung nicht umhin kommen. Und diese brauchen wir wohl möglichst bald!

(Ende)
Aussender: Österreichischer Gewerbeverein
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E-Mail: h.kainz@gewerbeverein.at
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