pts20000416004 Medien/Kommunikation, Kultur/Lifestyle

Fernsehen zum "Hirn abschalten"

ifabo-Podiumsdiskussion widmete sich Online-Medien und Content-Produktion


Wien (pts004/16.04.2000/10:00) Mit der These, Online-Medien seien das 100%ige Gegenteil von traditionellen Medien, hat der Chef von ORF.ON, Franz Manola, am Samstag auf der ifabo eine Podiumsdiskussion eingeleitet, die den rasanten Veränderungen im Medienbusiness gewidmet war. Manola gab dabei zu, dass die "alten Medien furchtbar unter Druck geraten", um mit den Entwicklungen mitzuhalten. Im Gegensatz zum "One-to-Many"-Medium Fernsehen sei Internet ein "Many-to-Many"-Medium, mit dem ein neues "Geschichtskapitel" aufgeschlagen wird, so Manola wörtlich.

Der ORF-Medienexperte wies in diesem Zusammenhang auf ein interessantes Phänomen hin, das insbesondere für die öffentlichrechtlichen Sender schmerzhaft sei. Fernsehen und Internet seien zwei entgegengesetzte Zustände. Während TV zum "Hirn abschalten" genutzt wird, dienten Computer & Internet zum "Hirn einschalten". Internet sei ein extrem aufmerksamkeitsstarkes Medium. Da jede Webseite ein Interesse habe, individuell zu sein, müssen eigene Contents geschaffen werden. Dafür seien im ORF mittlerweile 50 bis 60 Leute tätig. http://www.orf.at

Manola räumte bei dieser Gelegenheit auch mit dem Irrglauben auf, das Fernsehen könne ins Netz wandern. Diese Idee werde sich nicht einstellen, sagte der ORF.On-Chef. "Das halte ich für gänzlich realitätsfern." Auch die ZiB1 im Internet werde kaum genutzt. Doch die Breitbandmedien werden sich letztlich durchsetzen, zeigte sich Manola überzeugt, das Phänomen "allways on" sei ein überragendes Argument.

Auch der Chef von Lion.cc, Herbert Mayrhofer, stellte klar, dass es keinen Sinn macht, bestehendes TV, Radio oder Zeitungen ins Netz zu spielen. http://www.lion.cc Mittlerweile stehe aber auch fest, dass der E-Commerce allein ohne entsprechenden Content nicht funktioniert. Daher müsse neuer Content bereitgestellt werden. "Wir erleben einen sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Wandel", erklärte Mayrhofer. "Wir müssen daher völlig neue Formen der Kommunikation erproben. Da stehen wir noch ziemlich in den Kinderschuhen."

Der Geschäftsführer des Internet-Senders webfreetv, Roman Padiwy, betonte, dass die Grenzen zwischen Sender und Empfänger im Internet zunehmend verschwimmen würden und damit zur Auflösung der Informationsmonopole beitrügen. "Die Monopole sind langfristig nicht mehr zu halten", zeigte sich Padiwy überzeugt. "Die Sättigung mit Nachrichten aus der Konserve ist groß. Die Leute wollen selbst Produzenten sein, und ihre privaten Anliegen kommunizieren. Sendungen wie Big Brother demonstrieren den Trend."

BetandWin-Vorstand Harald Reisinger wies auf den "wichtigen Faktor" des "Consumer-Created Content" hin, also auf Inhalte, die von Web-Besuchern produziert und eingebracht werden. Reisinger will etwa seine Online-Sportsektion von Junior-Journalisten aus der ganzen Welt betreuen lassen. "Die nehmen uns Arbeit ab", erklärte Reisinger, auf dessen Wettseite http://www.betandwin.com derzeit eigenen Angaben zufolge 15.000 Personen wetten, und fügte hinzu: "Online-Medien werden von Usern gesteuert."

Franz Zauner, der Chef der Wiener Zeitung Online, relativierte diese Meinung aus Journalistensicht: Auch in den neuen Informationssystemen funktioniere der Journalismus, allerdings unter anderen Bedinungen. Die Entwicklungen seien noch lange nicht abgeschlossen. http://www.wienerzeitung.at

Wie bei jeder Diskussion über die Zukunft der Online-Medien stellte sich zum Schluss die Frage, wer denn die vielen neuen Informationsangebote bezahlen soll. Einhellig herrschte dabei die Meinung, dass der Konsument bereits gewöhnt daran sei, nichts zu bezahlen. Das werde sich auch in Zukunft nicht ändern. "Consumer-seitig ist nichts zu holen", erklärte Padiwy. "Die Finanzierung muss Business-to-Business erfolgen."

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