Gewerbeverein: Braucht Österreich wirklich neun Bauordnungen?
Unglaublich: Bei gleicher Gefahr gibt es unterschiedliche Sicherheitsbestimmunge
Wien (pts048/15.06.2004/19:55) Geht der lang gehegte Traum der Immobilienbranche in Erfüllung? Wird es bis Ende 2005 eine einheitliche Bauordnung geben, die in ganz Österreich gilt? Vorher sind jedenfalls noch viele Probleme zu lösen, so der einhellige Tenor bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Wie viele Bauordnungen braucht Österreich?" im Österreichischen Gewerbeverein (ÖGV).
Das Österreichische Institut für Bautechnik (ÖIB) arbeitet derzeit intensiv an einer Harmonisierung der einzelnen Bauordnungen. Jedoch: "Es ist eine heikle politische Sache", ist sich Senatsrat Hermann Wedenig, Experte im Harmonisierungsausschuss des ÖIB bewusst. Schließlich sind schon viele vor ihm an dem Versuch gescheitert, die unterschiedlichen Bauordnungen der österreichischen Bundesländer und die Bundesbauordnung zu vereinheitlichen.
Bestrebungen, eine österreichweit gültige Regelung für Brandschutz, Schallschutz, Barrierefreiheit oder Sicherheit von Gebäuden zu schaffen, wurden nie umgesetzt. Bereits 1948 wurde eine Musterbauordnung für Österreich geschaffen. Damals hoffte man, dass sich die Länderbauordnungen daran orientieren. Das Ergebnis: Die Bestimmungen der einzelnen Bundesländer glichen sich nicht aneinander an, vielmehr drifteten sie noch weiter auseinander. Die gesamte österreichische Immobilien- und Baubranche leidet unter diesem Zustand. Es ist äußerst schwierig, den Überblick darüber zu behalten, was wo in Österreich erlaubt ist und was nicht.
Peter Schweng, Geschäftsführer von Otis Österreich, Marktführer bei Aufzügen und Fahrtreppen, nennt ein Beispiel: "Für den Einbau von Aufzügen in Hotels gelten andere Sicherheitsbestimmungen als für Aufzüge in Wohnbauten. Der Grund ist, dass Hotelaufzüge dem Gewerberecht unterliegen, für die Errichtung von Aufzügen in Wohnbauten gilt aber die Bauordnung des jeweiligen Bundeslandes."
Und da gibt es massive Unterschiede. Während beispielsweise in Kärnten ab 2010 nur Aufzüge unterwegs sein dürfen, die mit einer Kabinentür ausgestattet sind, ist die Nachrüstung in Wien und anderen Bundesländern noch nicht gesetzlich verankert. Obwohl durch das Fehlen dieser Tür schon häufig schwere Unfälle verursacht wurden.
Würden für Autos in jedem Bundesland andere Sicherheitsbestimmungen gelten, würde das wohl nur Kopfschütteln erzeugen. Peter Schweng weist darauf hin, dass die Unterschiede in den Sicherheitsstandards bei Aufzügen in den einzelnen österreichischen Bundesländern nicht nachvollziehbar sind: "Stellen Sie sich vor, dass Autofahrer in Kärnten nur mit Sicherheitsgurten unterwegs sein dürfen und in Vorarlberg alle Autos mit Kopfstützen ausgestattet sein müssen. Bei Aufzügen sind derartige Unterschiede an der Tagesordnung."
Ärgerlich ist laut Schweng auch, dass es in Wien oder Graz rund fünf Monate dauert, bis es eine Bauverhandlung für eine eingereichte Aufzugsanlage gibt. In Vorarlberg liegen Genehmigungen für Aufzüge oft bereits nach wenigen Wochen vor.
Davon weiß auch Helmut Raschendorfer, Gesellschafter der IPB-Ziviltechniker GmbH ein Lied zu singen: "Man kann einem Wirtschaftstreibenden, der in Österreich investieren will nicht zumuten, dass Genehmigungen so lange dauern." Grund dafür ist das komplizierte österreichische Baurecht. "Es kennen sich nur wenige aus", ist Raschendorfer überzeugt. Mit einer übersichtlicheren Gesetzgebung könnten vier bis fünf Prozent der Baukosten eingespart werden, weist eine vom Wissenschaftsministerium beauftragte Studie aus.
Ob es allerdings zur ersehnten Vereinfachung kommen wird, ist mehr als ungewiss. Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Verbandes der österreichischen Immobilientreuhänder weiß: "Eine Vereinfachung ist nur möglich, wenn alle bereit sind, nachzugeben und Inhalte zu verändern."
Gerade das ist jedoch laut Hermann Wedenig der Knackpunkt: "Wenn es in ganz Österreich einheitliche Bauordnungen gibt, müssten die bestehenden Systeme komplett umgestellt werden." Es gelten dann für alle Baupolizisten neue Regeln, die anzuwenden sind. Das beginnt bei der Mindestraumhöhe, die derzeit je nach Bundesland zwischen 2,30 und 2,60 Metern liegt und endet beim barrierefreien Zugang zu Gebäuden, wo in Wien weit strengere Regeln gelten als in vielen anderen Bundesländern. Zusätzlich dazu haben die Landesregierungen häufig auch damit Probleme, historisch gewachsene Kompetenzen aus der Hand zu geben.
Hermann Wedenig hofft trotzdem, dass bis Ende 2005 die vom ÖIB ausgearbeiteten Regeln in allen Bundesländern in das jeweilige Landesrecht übernommen werden. Schließlich tritt Anfang 2006 die EU-Gebäuderichtlinie in Kraft. Die österreichweite Umsetzung dieser Richtlinie wäre sicher einfacher, wenn es eine einheitliche Baugesetzgebung im ganzen Land gäbe.
(Ende)Aussender: | Österreichischer Gewerbeverein |
Ansprechpartner: | Dr. Herwig Kainz |
Tel.: | 01/587 36 330 |
E-Mail: | h.kainz@gewerbeverein.at |