pts20040706045 Politik/Recht

Gewerbeverein: Giscard d'Estaing überschätzt das Wissen der EU-Gymnasiasten!

An rechnerisch nachvollziehbaren Regeln erkennt man, wie ernst Bürgernähe ist!


Wien (pts045/06.07.2004/20:10) Ohne Pythagoras' Nachhilfe wird man die EU-Verfassung nicht verstehen können. Ein Beispiel dazu: Für einen Mehrheitsbeschluss sind künftig 55 Prozent aller Mitgliedsländer nötig, die 65 Prozent aller EU-Bürger repräsentieren. Allerdings müssen zusätzlich noch 15 Mitgliedstaaten ihre Zustimmung geben. Die EU-Verfassung wird frühestens 2007 gelten. Dann hat die EU mit Bulgarien, Rumänien und eventuell Kroatien 28 Mitglieder. Irgend etwas ist da wohl doppelt gemoppelt - meint man im Österreichischen Gewerbeverein (ÖGV).

Wie lobte doch Valéry Giscard d'Estaing sein Werk - die EU-Verfassung: "Jeder Gymnasiast versteht sie."Mitnichten, denkt man an die hauptsächlich mathematisch orientierten PISA-Ergebnisse zurück.

Die europäische Verfassung ist fertig und Gott sei Dank gibt es wenigstens einige Länder, in denen die Bevölkerung per Referendum über ihre Ratifizierung entscheiden wird. Und die sollten ihre Zustimmung ernst nehmen, weil die Verfassung in ihrer aktuellen Form der europäischen Ebene zuviel Hoheit gibt, ohne dass klare und nachvollziehbare Kontrollmechanismen von unten erkennbar wären. So schlimm ist eine Ablehnung gar nicht: Manche europäische Politiker und EU-Anhänger haben behauptet, dass eine Ablehnung katastrophale Folgen hätte. Das ist übertrieben. Doch wäre es in der Tat seltsam - und sogar verfassungswidrig - wenn Regierungen ein Referendum abhalten wollten, bei dem nur ein Ergebnis akzeptabel ist. Wenn man Nein nicht als Antwort hinnehmen kann, warum dann die Frage stellen? Die EU braucht dringend mehr Legitimität unter der Bevölkerung, wie die vielen Anti-Obrigkeits-Stimmen und die beträchtlichen Anti-EU-Stimmen bei den jüngsten Europawahlen gezeigt haben. Der große Makel am vorliegenden Verfassungsvorschlag ist, dass er wenig oder gar nichts dafür tut, dass sich die Europäer bei der ganzen Sache wohlfühlen.

Die EU wird daran gemessen, wie nachvollziehbar ihre Regulative sind. An mathematischen Regeln ist dies am ehesten zu verstehen. Deswegen eine aktuelle Bitte an den österreichischen Verfassungskonvent, der ja auch ein Jahrhundertwerk vorbereitet, das die Zustimmung und vor allem die Akzeptanz der Bevölkerung braucht: Kratzt Euch nicht wie Giscard d'Estaing und seine Getreuen mit der linken Hand am rechten Ohrwaschel. Denn Vieles kann heute weder ein Gymnasiast noch ein Akademiker nachvollziehen - jedenfalls nicht bürgernahe einfach!

(Ende)
Aussender: Österreichischer Gewerbeverein
Ansprechpartner: Dr. Herwig Kainz
Tel.: 01/587 36 3330
E-Mail: h.kainz@gewerbeverein.at
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