Offener Brief der Pharmig an Gesundheitsministerin Rauch-Kallat
EU-Vorstoß Rauch-Kallats gegen die Pharma-Industrie
Wien (pts035/20.06.2006/13:52) Sehr geehrte Frau Bundesministerin,
mit Ihren Äußerungen beim jüngsten Kongress des Europäischen Verbandes der Arzneimittelhersteller in Athen haben Sie nicht nur bei Konferenzteilnehmern "Befremden" ausgelöst (wie etwa die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 12.6.2006, Seite 15, berichtet), sondern auch bei sämtlichen Mitgliedsfirmen unserer Interessenvertretung. Es ist unüblich und unverhältnismäßig, wenn eine amtierende Ratsvorsitzende der EU-Gesundheitsminister die 25 Mitgliedstaaten in dieser Form auffordert, "gemeinsam gegen die Arzneimittelindustrie aufzutreten". Wir sind als Interessenvertretung gegenteiliger Überzeugung: Nur durch ein Miteinander aller im Gesundheitswesen Tätigen können die Probleme in diesem für die Gesellschaft so wichtigen Bereicht nachhaltig und sozial verträglich gelöst werden!
Weiters sind Sie dafür eingetreten, auf EU-Ebene das Sortiment der von den Solidarsystemen bezahlten Medikamente zu durchforsten und sich "auf das (zu) konzentrieren, was in der großen Masse notwendig ist". Heißt das für die Zukunft, dass Menschen mit seltenen Krankheiten nicht mehr mit - zum Teil lebensnotwendigen - Medikamenten versorgt werden? Heißt das, dass Patienten diese lebensnotwendigen Medikamente selbst bezahlen müssen? Heißt das, dass es manche Medikamente gar nicht mehr geben wird - und manchen Kranken also auch nicht mehr geholfen werden kann?
Als Interessenvertretung eines wichtiges Bereichs des Gesundheitswesens können wir uns Ihre Wortmeldungen nur durch eine tief verwurzelte negative Grundeinstellung gegenüber der Pharma-Wirtschaft erklären. Wir weigern uns aber zu glauben, dass die österreichische Vorsitzende der EU-Gesundheitsminister - deren politische Heimat, die ÖVP, sich an der sozialen Marktwirtschaft orientiert - eine EU-weite Verstaatlichung oder Planwirtschaft im Gesundheitswesen andenkt. Es geht darum, die starke Abwanderungsbewegung von Menschen und Kapital aus der europäischen Pharma-Industrie in Richtung USA und Asien zu stoppen und gegenzusteuern, wie die EU-Kommission längst erkannt hat. Vor kurzem wurden auf EU-Ebene mit einem verlängerten Patentschutz für Kinderarzneimittel und Medikamente gegen besonders seltene Krankheiten ("Orphan Drugs") zwei wichtige Schritte in die richtige Richtung beschlossen.
Die bestmögliche Therapie kann unserer Meinung nach sicher nicht durch ein "Normprodukt" pro Krankheitsbild gewährleistet werden, wie Ihnen jeder Mediziner bestätigen wird. Erst eine vernünftige Bandbreite von Therapie-Optionen ermöglicht es dem Arzt, auf die individuellen Erfordernisse jedes einzelnen Patienten bestmöglich einzugehen.
Falls es Ihnen wichtig ist, nicht bloß öffentlich gegen die vermeintlich "mächtige" Pharma-Industrie zu polemisieren, sondern gemeinsam mit uns und den anderen Playern im Gesundheitswesen eine - durchaus auch kontroverse - Debatte zu führen: Die Pharmig ist jederzeit gerne bereit, konstruktiv über die nachhaltige Sicherung unseres Gesundheitssystems zu diskutieren, sei es in einem öffentlichen Forum oder im persönlichen Gespräch.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hubert Dreßler
Präsident PHARMIG
Dr. Jan Oliver Huber
Generalsekretär PHARMIG
Dieser offene Brief geht zur Kenntnisnahme auch an Dr. Franz B. Humer, Präsident des europäischen Pharma-Dachverbandes (EFPIA).
(Ende)Aussender: | Pharmig - Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs |
Ansprechpartner: | Mag. Gerlinde Gänsdorfer, Kommunikation |
Tel.: | +43 (1) 40 60 290 DW 20 |
E-Mail: | gerlinde.gaensdorfer@pharmig.at |